Gretchenfrage 24. September 2019, von Katharina Kilchenmann

«Wie sich die Landeskirche entwickelt, ist spannend»

Barbara Miller

Barbara Miller befasst sich als Filmregisseurin mit Religion. Sie unterdrücke systematisch die Fauen, meint sie. Ihr Film «#Female Pleasure» erzählt davon.

Wie haben Sies mit der Religion, Frau Miller?

Ich bin nicht wirklich religiös, obwohl ich reformiert aufgewachsen bin und mir meine Mutter das Interesse an Religion und den Religionen mitgegeben hat. Ich bin nach wie vor in der Landeskirche, da ich die Entwicklung dort und die grösser werdende Offenheit spannend fin­de. Und weil es ausserhalb der Kir­che nur wenige Traditionen für grosse Lebensübergänge gibt wie die Taufe oder die Abdankung.

Können Sie etwas mit dem Begriff der Spiritualität anfangen?

Ich würde mich eher als spirituell bezeichnen im Sinne von bewusst und achtsam. Ich meine es durchaus praktisch: dass ich in meinen Hand­lungen ethisch und mitfühlend bin und nicht auf Kosten anderer Menschen oder der Natur lebe.

In Ihrem vielbeachteten Film «#Female Pleasure» sind Sie gegen­über der Religion sehr kritisch.

Das stimmt. Mir wurde während der Recherche zum Film erst richtig bewusst, dass Religionen und ihre Institutionen weltweit dafür gesorgt haben, der Hälfte der Menschheit, nämlich den Frauen, glauben zu ma­chen, dass sie weniger wert sind.

Die Religionen haben die Unterdrückung des Weiblichen unterstützt?

Es hat mich erschüttert, dass es in den heiligen Schriften aller grossen Welt­religionen Texte gibt, in denen das Weibliche als etwas Minderwertiges dargestellt wird. Mir wurde erst da klar, wie sehr die Abwertung der Frau in unserem kulturell-religiösen Bewusstsein veran­kert ist. Ich kritisiere die Religionen nicht grundsätzlich, sondern die fun­damentalistische Auslegung.

Würden Sie sagen, dass damit Religion missbraucht wird?

Ja. Der Glaube ist für mich etwas sehr Persönliches. Sobald daraus ei­ne allgemeingültige Doktrin gemacht wird, eignet diese sich zur Unterdrückung. Leider.