Ich habe im letzten Juni einen tollen Mann geheiratet. Jetzt erwarten wir unser erstes Kind, und ich bin sehr glücklich. Noch vor wenigen Jahren wäre das undenkbar gewesen. Ich war am Boden zerstört. Meine Eltern sagten immer: «Was soll nur aus dir werden, wenn wir eines Tages nicht mehr sind?» Ich konnte keine Gefühle erwidern und schon gar keine Berührungen ertragen.
Schon im Alter von elf Jahren begann ich, meinen Körper zu ritzen. Nur so schaffte ich es, emotionalen Druck und Stress abzubauen. Zunächst waren es nur oberflächliche Wunden an Armen und Beinen, die rasch wieder verheilten. Doch die Schnitte, die ich mir zufügte, wurden immer tiefer.
2009, ich war damals 21 Jahre alt, musste ich zum ersten Mal unter Vollnarkose operiert werden, weil die Verletzungen mittlerweile lebensbedrohlich geworden waren. Über 100 Schnitte hatte ich mir zuvor in wenigen Stunden zugefügt. Wie es dazu gekommen war, entzieht sich komplett meinem Bewusstsein. Ich habe einen Filmriss.
Diagnose als Erleichterung
Als mein Psychiater die Borderline-Diagnose stellte, war das eine Erleichterung für mich. Ich wusste wenigstens, was mit mir nicht stimmte. Die Krankheit verunmöglicht es einem, Emotionen zu regulieren: Freude, Wut, Trauer, Angst. Ich musste zuerst in einem Manual nachschlagen, was diese Gefühle überhaupt bedeuten, wie sie sich äussern.