«Inzwischen habe ich meine Geschichte gut verarbeitet»

Haut

Martin Achermann aus Ennetmoos hatte vor 27 Jahren einen Motor­radunfall. Von den er­littenen Verbrennungen ist er bis heute gezeich­net, auch im Gesicht.

Es geschah 1996 in Kairo. Ich war dort als Elektromonteur für eine Schweizer Firma tätig. Nach ungefähr acht Monaten hatte ich einen Verkehrsunfall. Ich war mit dem Motorrad unterwegs, als mir ein Auto den Weg abschnitt. Ich konnte nicht mehr ausweichen. Quasi im Schritttempo kippte ich seitlich um. Austretendes Benzin floss über mich und entzündete sich. Ein Kollege konnte die Flammen mit seiner Jacke löschen, aber 30 Prozent meiner Haut waren bereits verbrannt.

Ich kam in eine Privatklinik in der Nähe des Unfallorts. Deren Leiter hatte ein Jahr zuvor an der Zürcher Uniklinik eine Weiterbildung zu Hautverbrennungen gemacht. War das Zufall? Auf jeden Fall eine glückliche Fügung. Der Arzt wusste genau, was nun zu tun war. Und meine Arbeitskollegen hielten rund um die Uhr Krankenwache.

Ein langer Weg

Nach zwei Tagen holte mich die Ret­tungsflugwacht Rega zurück in die Schweiz, in die Universitätsklinik Zürich. Dort wurde ich dreieinhalb Monate lang behandelt. Weil ich gut versichert war, brauchte ich mir kei­ne existenziellen Sorgen zu machen. Das körperliche und psychische Lei­den war schlimm genug. Ich hatte furchtbare Schmerzen, die sich durch das Morphium nur bedingt stillen liessen. Und ich fragte mich, wie es für mich weitergehen sollte. Auch mein Gesicht war verbrannt, und die rechte Hand war nahe daran, amputiert zu werden.

Da wusste ich, dass es mein Freund nicht böse gemeint hatte – er hatte es einfach nicht geschafft, mich in diesem Zustand zu sehen.

Doch die Hand und die anderen Hautpartien verheilten. Es war ein langer Weg mit Physiotherapie, dem Tragen eines Kompressionsanzugs und einer Gesichtsmaske sowie mehreren Operationen. Ohne den Beistand meiner Familie und meiner damaligen Freundin, die heute meine Ehefrau ist, hätte ich es niemals so gut geschafft.

Das Wiedersehen

Auch beruflich konnte ich wieder Fuss fassen, nach einer Umschulung im kaufmännischen Bereich. Heute, 27 Jahre später, habe ich diese Geschichte gut verarbeitet, auch die Spuren in meinem Gesicht sind nicht mehr so schlimm wie einst. Damals war es schon hart, als sich Leute auf der Strasse nach mir umdrehten und sich sogar ein guter Freund auf einmal nicht mehr meldete.

Nach etwa zwei Jahren Funkstille liefen wir uns im Dorf zufällig über den Weg. Wir standen einander plötzlich einfach gegenüber. Was geschah? Wir fielen uns mit Tränen in den Augen in die Arme. Da wusste ich, dass es mein Freund nicht böse gemeint hatte – er hatte es einfach nicht geschafft, mich in diesem Zustand zu sehen.

Erfahrungen teilen

Gern teile ich meine Erfahrungen mit anderen. Auf der Website «Hautstigma» des Kinderspitals Zürich ist meine Geschichte festgehalten, ich hatte bei Röbi Koller zwei Fernsehauftritte, und auf Anfrage gehe ich zu Interessierten und Betroffenen, um zu zeigen, dass es Wege gibt, auch mit einer versehrten Haut positiv umzugehen.