Schwerpunkt 26. September 2018, von Marius Schären

Das Ökosystem retten mit Adonisröschen und Rittersporn

Pause

Auf Buntbrachen wächst nichts, was Geld bringt. Pause macht die Landwirtin deswegen nicht. Gabi Uehlinger sagt, warum sie sich die Brache trotzdem antut.

Nur vereinzelt leuchten ein paar gelbe und violette Tupfer auf. Braun-, Grau- und Grüntöne beherrschen die Fläche. «Jetzt blüht fast nichts mehr», sagt Gabi Uehlinger mit leisem Bedauern. Sie steht mitten im Feld zwischen den Halmen auf der Erde, in schweren Schuhen, Arbeits­hosen, T-Shirt und Dächlikappe und beschreibt den jährlichen und bereits vergangenen Höhepunkt ­ihres Tuns: «Im Mai und Juni ist es fantastisch schön, farbig, intensiv. Daran habe ich extrem Freu­de.»

Die Landwirtin und Biologin ist begeistert von Brachen. Unscheinbar liegen die unbebestellten Flächen am Ende des Sommers da, zwischen Zuckerrübenfeldern und reifen Son­nenblumen im schaffhausischen Klett­gau. Landstreifen, die nicht nach Landwirtschaft aussehen. Hier scheint zu wachsen, was und wie es gerade will.

Die Buntbrachenphilosophie

Dieser Eindruck täuscht. Gabi Uehlinger weist mit der Schuhspitze auf ein dorniges Pflänzchen. «Die Ackerkratzdistel kann Probleme bereiten, wenn sie die Kultur bedrängt.» Damit macht sie klar, dass eine Brache nicht einfach Wildwuchs bedeutet. Eine Buntbrache ist eine mehrjährige, mit einheimischen Wildkräutern angesäte Fläche. «Sie ist zwar eine Pause im wirtschaftlichen Produktionszyklus. Aber die Natur macht ja eigentlich nie Pause, am ehesten noch im Winter», sagt die Biologin. Und auch eine Brache braucht Pflege. Das beginnt schon bei der Vorbereitung.

Das Feld werde aus der Produktion genommen und mit Ackerbegleitflora eingesät, erzählt Gabi Uehlinger. Über 20 verschiedene Blumen sind dabei, etwa Adonis­rös­chen, Rittersporn, Wiesensalbei, Rainfarn. «Es sind empfindliche Pflanzen, die auf Ackerland mit den heutigen Herbiziden keine Chance haben.»

Drei bis acht Jahre sollten die Pflanzen auf den Brachen gedeihen, bis der Boden wieder umbrochen wird. «Je nach Philosophie», sagt Uehlinger. Individuell beurteilt die Biologin in dieser Zeit, welche Fläche sie mäht, wo sie von Hand jätet oder Büsche entfernt und wo sie was neu einsät, etwa wenn Gräser überhand nehmen.

Und wozu das alles? Warum eine Pause der Bewirtschaftung, die weder Ruhe noch Ertrag bringt? Weil Gabi Uehlinger vom Nutzen überzeugt ist. Fast ein Drittel ihrer 25 Hektaren Ackerland sind ökologische Ausgleichsfläche, der grösste Teil Brachen. Eine Buntbrache wirke auf die nachfolgende Kultur: «Was ich danach anbaue, gedeiht besser. Man sieht es den Pflanzen geradezu an.»

Brachen sind Lebensraum für viele verschiedene Vögel, Insekten, Spinnen, Kleintiere. Sie bewirkten, dass sich Humus aufbauen kann. Und zuletzt ist Uehlinger von etwas überzeugt, das noch nicht bewiesen ist: «Wenn wir die Biodiversität nicht erhalten, bricht früher oder später das Ökosystem zusammen.»