Schwerpunkt 26. September 2018, von Nicola Mohler

Eine Insel der Ruhe mitten in der Schnelllebigkeit

Pause

Am siebten Wochentag die Arbeit ruhen zu lassen, ist eines der Zehn Gebote. Jael Rothschild und ihre Familie geniessen die Schabbat-Zeit mit lieben Menschen.

«Gut Schabbess», wünschen die feierlich gekleideten Gäste Jael Roth­schild. Es ist Samstagmittag. Die 29-jährige Betriebsökonomin spielt mit ihrem knapp zwei Jahre alten Sohn im Wohnzimmer. Mit ihrer Familie wohnt sie im Enge-Quartier in Zürich. Weil Rothschild am Schabbat ihr Kind ausserhalb des Hauses nicht tragen darf, geht sie derzeit nicht zusammen mit ihrem Mann Uri zum Gebet. Der Gebetsraum liegt zwar in Gehdistanz. Für den Buben, der erst seit ein paar Wochen läuft, aber noch zu weit.

Jael und Uri Rothschild führen mit ihren zwei kleinen Söhnen ein modernes orthodoxes jüdisches Leben. «Wo immer möglich versuchen wir, einen Bogen zwischen religiösem und weltlichem Leben zu schlagen», sagt Jael Rothschild. Das berufstätige Paar lebt koscher, hält die jüdischen Gesetze ein, zelebriert am Schabbat den Ruhetag.

Das Gebet gegen die Hektik

Die Familie und die Gäste setzen sich an den Esstisch. Uri Rothschild spricht den Segen, den Kiddusch. Er nimmt den ersten Schluck aus dem Kelch mit Traubensaft und gibt ihn in die Runde. Dann gehen alle in die Küche, waschen sich die Hände. Anschliessend folgt der Segensspruch für die Challa, das Schabbatbrot.

Der 35-jährige Basler schneidet den Zopf in kleine Stücke, reicht den Brotkorb. Gemeinsam mit seiner Frau bringt er aus der Küche Rotkraut, Reis, Schnitzel und Salat. Am Schabbat ist jede Arbeit oder das Nutzen von Elektrizität untersagt. Deshalb bereitet das Ehepaar die Mahlzeiten meist bereits Donnerstagabend vor. Jael Rothschild arbeitet 80 Prozent und schaut am Freitag zu den Kindern. Da bleibe nicht immer viel Zeit fürs Kochen.

«Das Handy, der Computer und der Fernseher bleiben aus. Von Freitag- bis Samstagabend entfallen praktisch alle Pflichten, und wir bewegen uns nur im nächsten Umfeld», sagt Jael Rothschild, während sie die Teller reicht. Da stehen Familie und Freunde, Zeitunglesen und Schlafen sowie das Essen und das Gebet im Zentrum. «Eine solche Insel der Ruhe ist gerade in der heutigen Schnelllebigkeit sehr wichtig.»

Uri Rothschild erlebt am Freitagabend, wie sich die Pause einstellt: «Meist eile ich von der Arbeit nach Hause und gehe dann rasch in die Synagoge. Wenn ich mich dem Tempo des Gebets hingebe, legt sich die Hektik aber sofort.» Voraussetzung für das volle Abschalten ist, dass Vorgesetzte und Arbeitskollegen die Einhaltung des Ruhetages akzeptieren. Eine Ausnahme zu machen und doch mal auf das Handy zu schauen, gibt es nicht. Das werde von allen respektiert. Manchmal bedeute es schon ein wenig Stress, zu wissen, dass der Sabbat schon bald wieder anstehe und alles bis dahin erledigt sein müsse. «Aber kaum dämmert es am Freitagabend, kommt die unvergleichliche Stimmung des Schabbats auf», sagt Jael Rothschild.