Schwerpunkt 27. Juli 2020, von Hans Herrmann

«Jetzt darf die Kirche ein wenig von mir profitieren»

Die Kirchenfernen

Jürg Spori hat sich bewusst dafür entschieden, nicht aus der Kirche auszutreten. Die Gründe dafür liegen in seinen Jugendjahren.

Bei Jürg Spori findet Kirche eigentlich nur auf der Steuererklärung statt. Wenn er nach dem Ausfüllen des Formulars sieht, was er alljährlich seiner reformierten Landeskirche schuldet, wird der Berner daran erinnert, dass er Mitglied ist. Ansonsten noch an Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen.

Immerhin: Dass Spori die Kirche nicht gleich ganz aus seinem Leben gestrichen hat, ist ein bewusster Entscheid. «Ich war schon dreimal nahe daran, meinen Austritt zu geben, um Geld zu sparen», sagt er. Jedesmal habe er es aber bleiben lassen. «Ich habe mir gesagt: Jürg, du hast in einer wichtigen Phase deines Lebens von der Kirche profitiert, jetzt darf die Kirche auch ein wenig von dir profitieren.»

Bewirtet und bemuttert

Jürg Spori ist in Thierachern aufgewachsen, einer ländlichen Gemeinde in der Nähe von Thun. Die Kirche war fester Teil des Dorflebens, der Pfarrer eine allseits respektierte Persönlichkeit. «Dann kam ich 1963 als Schriftsetzer-Lehrling vom reformierten Dorfidyll in die Berner Matte zu einem katholisch geprägten Betrieb», berichtet Spori.

Nach der Arbeit musste er immer noch den Boden scheuern, während die katholischen Lehrlinge bereits den Feierabend genossen. «Sieht so kirchliche Gerechtigkeit aus?», fragte sich der junge Mann.

Er wäre an Kirche und Christentum fast irre geworden, wenn er nicht in der Berchtoldstube, einer Volksküche der Reformierten, für wenig Geld immer aufs Beste bewirtet und bemuttert worden wäre.

Dafür revanchiert sich Jürg Spori, der in Bern während Jahrzehnten als Zeit­ungsreporter gearbeitet hat, weiterhin mit seiner Mitgliedschaft. Sichtbarer werden solle die Kirche vor allem, findet der Rentner. Sich einmischen und stören. Lobbyieren – am besten professionell und auch im Bundeshaus. «So würde sie wieder zu einer gesellschaftlichen Akteurin.» Wie die Offene Kirche in Bern: «Die machen ihre Sache sehr gut.»