Die Kirche sollte wieder im Dorf sein, wie damals, in den Fünfziger- und Sechzigerjahren, «als der Pfarrer noch eine geachtete, bedeutende Autorität im Dorfleben» war.
Das wäre der Wunsch des pensionierten Kaufmanns und ehemalige Bankers Yves Polin aus Dottikon AG. Er ist FDP-Mitglied – «auf dem Papier», wie er betont – und war bis vor Kurzem Friedensrichter im Kreis Wohlen. Heute nimmt er die Pfarrerinnen und Pfarrer als «Spiritualmanager» wahr, als «mainstreamige Lebensabschnitts-Zeremonienmeister», die zu wenig im echten Leben der Menschen präsent seien.
Zu links und zu politisch
Religiös sozialisiert in der Eglise française de Zurich und bei Ferienaufenthalten im Schloss Eugensberg in Salenstein, damals noch ein Erholungsheim der Ländli-Diakonissen, hat der Sohn eines Calvinisten und einer Zwinglianerin heute vor allem Mühe mit der «links und feministisch politisierten und politisierenden Landeskirche».
Wer nicht in die «Gender-Leier» einstimme, gelte als ewiggestrig, als frauenfeindlich, kritisiert Polin. Dabei gäbe es für ihn durchaus politische Felder, wo sich die Kirche einmischen sollte: Samenspende oder Leihmutterschaft. Aber hier drücke man sich vor Antworten. «Die Kirche wird ja nicht von SP-Leuten getragen, die sind schon lange weg», sagt Yves Polin. Das dringend benötigte Geld komme von Gewerblern, von Bürgerlichen. «Die erleben immer wieder, dass ihre Kirche in den Teller spuckt, aus dem sie isst.»
Während viele andere Unzufriedene austreten, ist Yves Polin auch nach 40 Jahren Kampf und Kritik Kirchenmitglied geblieben. Er liess sich sogar, als «Unbequemer», in die Aargauer Synode wählen. «Da kann ich mitbestimmen und versuchen, etwas zu verändern.» Ein Übertritt in eine Freikirche ist für Yves Polin, den bekennenden Freimaurer, ohnehin keine Alternative.