Mit dem Etikett «kirchenfern» hat Mandy Gnägi kein Problem. «Ich gehe nicht in den Gottesdienst und habe mit der Kirche als Institution kaum zu tun, insofern passt das.»
Dass die Organisationsberaterin dennoch Mitglied der reformierten Kirche geblieben ist, hat viele Gründe. Zum Beispiel schöne Erinnerungen an das Aufwachsen in einer kleinen Stadt, wo die Kirche selbstverständlicher Teil des Lebens war und alle Jugendlichen in den Konfirmationsunterricht gingen. Nach der Konfirmation besuchte sie noch oft den Sonntagsgottesdienst. «Die vertrauten Gesichter zu sehen, eine Stunde auf dem immer gleichen Bänklein zu sitzen – das hat mir gutgetan damals.»
Die Entfremdung wuchs mit dem Erwachsenwerden. Gnägi studierte Philosophie und Kunstgeschichte, fand die Einladung zur Auseinandersetzung mit dem Glauben im Gottesdienst «zu monologisch».
Stets zurückkommen dürfen
Auf die Gretchenfrage, ob sie gläubig sei, hätte Gnägi gerne «eine schöne Antwort» bereit. Aber glauben im herkömmlichen Sinn, das tut sie nicht. «Ich würde es eher Urvertrauen nennen, ein tief verankertes Bedürfnis nach Sinn und Bedeutung des Menschseins.» Darum interessieren sie die Metaphern der Bibel und ihre Relevanz für die heutige Zeit durchaus. Sowieso wünscht sie sich die Kirchen präsenter im gesellschaftlichen Diskurs. «Ich würde gerne häufiger hören, was Geistliche denken und fühlen, wenn sie auf aktuelle Themen oder auch Krisen schauen.»
Dass sie weiterhin Kirchensteuer zahlt, hat auch mit dem diakonischen Einsatz der Kirchen etwa für Flüchtlinge und Arme zu tun. Und mit der «grossartigen städtebaulichen Bedeutung der Kirchen». Vor allem aber findet sie es wichtig, dass es die Kirche als Ort der Begegnung heute überhaupt noch gibt.
Und: «Vielleicht hänge ich auch an der Zusage, als verlorenes Schäfchen jederzeit zurückkommen zu können», sagt Gnägi.