Eines war ihr die Kirche noch nie: gleichgültig. Als Kind liebte Jeannette Bürki die kirchlichen Feste, die sie zusammen mit ihren Eltern in einer Freikirche feierte.
Doch früh empfand sie diese Glaubenswelt als eng. Und sie sehnte sich nach sakralen Bauten. «Kirchen faszinieren mich seit jeher», sagt die heute 71-jährige. «Auch als ich als junge Frau sehr auf Distanz war zur Religion, setzte ich mich immer wieder in Kirchen und fand es wohltuend, dort zu sein.» Dabei interessiert sie sich nicht nur für Architektur. «Diese Räume vermitteln etwas Besonderes, weil sie speziell für Gottesdienste vorgesehen sind und dafür gestaltet wurden.»
Seit einiger Zeit geht Jeannette Bürki regelmässig zur Vesper im Berner Münster und sucht sich dabei die Pfarrpersonen gezielt aus. «Zu oft schon wurde ich als Gottesdienstbesucherin mit salbungsvollem Blabla abgespiesen», meint sie.
Nahrung für den Glauben
Pfarrerinnen und Pfarrern sei oft nicht bewusst, welch grosse Verantwortung sie hätten. «Für mich steht die Verkündigung im Mittelpunkt, nicht die Diakonie und nicht das Kirchenkaffee.» Die Auslegung der Bibel sei für sie Nahrung für den Glauben. Dagegen hält sie nichts von politischen Statements in Predigten. «Natürlich soll die Kirche Stellung beziehen, aber nicht bloss um progressiv zu wirken.»
Bei Themen etwa wie Ehe für alle oder Leihmutterschaft mache sie es sich zu einfach. «Wer sich vor allem am Zeitgeist, am Mainstream orientiert, um liberal zu wirken, verkennt die Wichtigkeit solcher Entscheidungen. Bis in viele Generationen werden uns die Folgen davon beschäftigen», sagt Bürki.
Die Kirche habe die Möglichkeit und die Pflicht, differenzierte, eigenständige Positionen zu vertreten. «Das würde ihr auch mehr Kontur und Glaubwürdigkeit geben.» So wie es ihr während der Coronakrise gelungen sei. «Da hat die Kirche gezeigt, was sie kann: da sein für alle.»