«Ich masse ich mir nicht an, einen Glauben zu kritisieren»

Wer hat Angst vor Religion?

Verschiedene Sprachen, um das Gleiche zu sagen: So stellt sich Fabienne von Niederhäusern die verschiedenen Glaubensarten vor. Sie hat keine starken Gefühle im Bezug auf Kirche.

Woran ich glaube? Das ist eine schwierige Frage. Meiner Meinung nach kann niemand beweisen, dass es ein transzendentes Wesen gibt – widerlegen kann es aber auch keiner. Das heisst, dass es einen Gott geben kann oder auch nicht. Persönlich muss ich darauf keine Antwort finden. Aus demselben Grund masse ich mir nicht an, irgendeinen Glauben zu kritisieren.

Ob jemand reformiert ist, muslimisch, buddhistisch oder ans Uni­versum glaubt, spielt für mich keine grosse Rolle. Ich stelle mir verschiedene Arten von Glauben als verschie­­dene Sprachen vor, um das Gleiche zu sagen: Man glaubt an etwas Grösseres, das nicht bewiesen werden kann. Die Unterschiede zeigen sich dann in der Auslegung der jeweiligen Religion oder darin, wie Menschen sie praktizieren.

Die Kirche ist einfach da

Mit drei Brüdern bin ich in einer Bau­ernfamilie aufgewachsen. Ich hatte als Kind und Jugendliche keine grossen Berührungspunkte mit der Kirche. Vor der Konfirmation habe ich mir zum ersten Mal überlegt, was ich für eine Haltung zur Kirche und zum Glauben habe.

Ich bin keine prak­tizierende Christin, aber ich unterstütze das Engagement der Kirche für soziale Hilfsangebote.

Ich bin getauft worden, mein Um­­feld gab mir christliche Werte mit, und ich habe die kirchliche Unterweisung besucht. Daher gehörte die reformierte Kirche einfach zur Kultur, in der ich aufgewachsen bin. Aber ich habe keine starken Gefühle, wenn ich an die Kirche denke. Sie ist einfach da. Ich bin keine prak­tizierende Christin, aber ich unterstütze das Engagement der Kirche für soziale Hilfsangebote. In meiner Gemeinde ist die Kirche zum Beispiel ein Teil des Begegnungszentrums. Deshalb bleibe ich Mitglied der Kirche und zahle auch wei­terhin meine Kirchensteuern.

Unterschiede akzeptieren

An der Uni Freiburg studiere ich Wirtschaftsinformatik. In meinem Freundeskreis ist Religion kein gros­ses Thema. Wir reden selten darüber. Aber wenn, dann ist es klar, dass unterschiedliche Haltungen vollkommen normal sind. Ich habe katholische, muslimische und orthodoxe Kolleginnen und Kollegen, Leute in meinem Umfeld, die gläubig oder die nicht gläubig sind. Ich habe auch eine Bekannte, die Theologie studiert. Sie hat mir ein paar interessante Sachen vom Studium erzählt. Zum Beispiel werden auch Fragen zur gleichgeschlechtlichen Liebe thematisiert.

Ich versuche, in meinem Leben zufrieden zu sein mit dem, was ich kann und habe. Damit meine ich nicht, dass ich mein Leben nicht gestalte. Aber ich finde es erstrebenswert, damit Frieden zu finden, was man hat, und dafür dankbar zu sein. Mir ist bewusst, dass sich das in einem privilegierten Land wie der Schweiz einfacher sagen lässt als an anderen Orten auf der Welt. Ich den­ke, der Wohlstand in der Schweiz beeinflusst auch den Stellenwert der Kirche. Weil bei uns viel Stabilität herrscht, suchen wir weniger Halt im Glauben.