«War die Leiche gar keine Leiche?»

Auferstehung

Hans Peter Beck (50), Physikdozent an der Uni­versität Bern, ist spezialisiert auf Teilchenphysik. Er war mitbe­teil­igt beim Nachweis des Higgs-Teilchens.

«Ich lese den Auferstehungsbericht des Evangelisten Markus als Zeugenaussage von Menschen. Was diese gesehen haben, ist gut beschrieben: Stein weggewälzt, Grab leer, Leiche weg. Zu diesen Fakten kann man verschiedene Hypothesen aufstellen. War die Leiche gar keine Leiche? Ist der Totgeglaubte aus dem Koma erwacht? Hat er aus ­eigener Kraft den Stein zur Seite geschoben und das Grab verlassen? Oder hat jemand die Grabesstätte aufgebrochen und den Leichnam gestohlen? Das Markus-Evangelium fokussiert auf eine andere – und nur auf diese eine Hypothese: Jesus ist von den Toten auferstanden. Für mich die am wenigsten plausibelste. Sind keine Hirnaktivitäten mehr vorhanden, ist ein Mensch tot. Naturgesetze können nicht gebrochen werden.

Die Erklärung. Dass Jüngerinnen und Jünger den auferstandenen Jesus spä­-ter gesehen haben wollen, erkläre ich mir so: Wie oft passiert es, dass wir in ­einer Menschenmenge von Weitem einen Freund zu erblicken meinen. Was sich dann beim Näherkommen als Trugbild erweist. Wenn nun der vermeintliche Je­sus in einer Menge auftaucht und in dieser wieder abtaucht, bevor ich ihn aus der Nähe sehen und meinen Irrtum einsehen konnte. Wenn ich mir zudem nichts sehnlicher wünsche, als dass Jesus immer noch lebt. Wenn überdies andere Menschen ähnliche Erlebnisse haben und darüber von Mund zu Mund berichten – dann kann sich bei seinen Anhängern plötzlich der Glaube festsetzen: Er ist wahrhaftig auferstanden.

Die Freiheit. Ich suche die einfachste rationale Erklärung für eine Beobachtung im Mikro- oder Makrokosmos, auch für die ‹Auferstehung›. Ich bin überzeugt, dass das Universum im Prinzip verstehbar ist. Physik ist kein Glaube, weil Physiker ihre Hypothesen stets aufs Neue experimentell überprüfen. Aber die vierhundert Jahre der modernen Forschungsgeschichte ab Galilei haben uns demütig gemacht. Wir haben erkannt, dass wir in einer x-beliebigen Ansammlung von Sternen, Planetensystemen und Gasnebeln auf einer Kugel durchs Universum sausen. Und kein höheres Wesen weist uns eine Rolle zu. Wir allein sind verantwortlich für das Überleben unserer Zivilisation. Mir hilft dabei die fundamentale Erkenntnis der Quantenphysik: die Unschärferelation. Sie besagt, dass Ort und Bewegung eines Objekts nicht gleichzeitig exakt bestimmt sind. Der Zufall spielt in der Mikrophysik eine überragende Bedeutung, was heisst: Kein Ereignis ist genau vorbestimmt. Das gibt mir die Freiheit und die Verantwortung, hier und heute zu handeln.»