Hunde lieben wir, Schweine verspeisen wir. Passt das zusammen?
In der Tat überrascht es, dass wir einen so himmelweiten Unterschied
zwischen Hund und Schwein machen. Beide Tierarten sind einfühlsam,
intelligent und neugierig. Wir könnten genauso gut Schweine als
Haustiere halten, was sogar besser wäre, weil sie keine Fleischfresser
sind und einen kleineren ökologischen Pfotenabdruck haben.
Essen Sie Fleisch?
Meine Frau und ich leben vegan. Mit ein paar wenigen Ausnahmen. Wenn wir im
Urlaub in Gebiete gehen, wo wir die lokale Produktion unterstützen
möchten, zum Beispiel von Käse in Norditalien.
Ganz generell: Darf man Tiere aus Sicht des Ethikers töten?
Der Begriff Tier vereint Amöbe und Gorilla. Entscheidend ist die
Empfindungsfähigkeit. Empfindungsfähige Tiere sollte man nur töten,
wenn es im besten Interesse des Tieres ist, wenn Euthanasie erforderlich ist. Töten zum eigenen Zweck sollte tabu sein. Ich halte Fleischkonsum
für ethisch nicht vertretbar und wirtschaftlich überflüssig.
Zurück zu den lebendigen Tieren. Die Pandemie hat einen Hundeboom ausgelöst. Warum?
Ein Hund gibt Tagesstruktur und emotionalen Support. Er zwingt einen, sich von einem Couch-Potato in ein minimal bewegliches Wesen zu verwandeln.
Und er spielt emotional eine wichtige Rolle, indem jemand zu Hause ist
und wartet. Wer sich einen Hund anschafft, sollte sich aber den ganzen
Lebenszyklus vor Augen führen. Als Welpe ist er süss, als Junghund
ungestüm und mitunter anstrengend, im Alter wird er vielleicht zum
Pflegefall.
Manchen ist es wichtig, dass sie einen Rassehund haben. Ist ein Hund ein Statussymbol?
Ein Hund ist auf jeden Fall ein Statement, zum Beispiel, ob man ihn von
einer Zucht hat oder von der Strasse rettet. Manchmal besteht eine
Korrelation zwischen politischen Ansichten und der Wahl des Hundes.
Manche Leute sehen Hunde auch als Accessoire, das sie in die Handtasche stecken. Jemand mit einem Staffordshire Terrier signalisiert, dass mit ihm nicht gut Kirschen essen ist. Ich will mit meinem Australian
Shepherd zeigen, dass ich nicht nur ein stubenhockender Professor bin,
sondern auch jemand, der sich gern in der Natur bewegt.
Mehr Bewegung ist also die positive Seite des Booms?
Absolut. Ich würde gern mal berechnet sehen, wie viel Einsparungen im
Gesundheitswesen Hundehalter eigentlich leisten. Warum sollte ich als
Hundebesitzer, der seine Verantwortung ernst nimmt, nicht zum Beispiel
eine Krankenkassenvergünstigung bekommen?
Was halten Sie von Hundeschulen und Hundeerziehung?
Hundeschulen und -erziehung finde ich ausserordentlich wichtig. Ich bin Verfechter
eines Obligatoriums, und zwar eines langen. Es sollten sehr hohe
Anforderungen an Hundehaltende aller Rassen gestellt werden. Wenn man
Hunde hat, bringt dies auch die Pflicht mit sich, diese zu sozialen
Wesen zu erziehen. Und ebenso, die eigenen Reaktionen gegenüber dem Tier kennenzulernen und zu reflektieren.
Radikale Tierschützer vergleichen Hundehaltung mit Sklaverei. Wie sehen Sie das?
Diese Metapher ist unglücklich. Hundehaltung wird mit schwerem historischem
Unrecht verglichen, mit dem Sklavenhandel in Amerika. Fakt aber ist:
Hunde sind Privateigentum, sie sind uns ausgeliefert, wir können sie
allzu rasch euthanasieren lassen. Gewisse Hunde arbeiten für uns ohne
Ausgleich wie Altersvorsorge, Lohn oder Urlaub. So gesehen stimmt der
Vergleich. Ich wäre dafür, dass wir den Besitzstatus an den Hunden
aufgeben. Kinder besitzen wir ja auch nicht.