Schwerpunkt 27. September 2022, von Alessandro Pellicioli, 16 Jahre

Auf einer Zeitreise mit David Bowie

Junges Literaturlabor

Blaues Gewand, blauer Hut, schwarze Schuhe. Mit einem breiten Lächeln steht er vor der Schule. Wer hätte damit gerechnet? Endlich klingelt es.

Der Lehrer hat schon zwei Minuten überzogen. Wann ist die Stunde endlich zu Ende? Wieder hat Oliver nicht aufgepasst. Heimlich spielte er auf seinem iPad. Er langweilte sich zu Tode.

Nachdem Herr Meier die Schüler endlich erlöst hatte, bat er Oliver, noch kurz zu bleiben. Mit einem heimlichen Augenrollen setzte er sich. Herr Meier sagte, dass es so nicht mehr weitergehen könne. Oliver hörte es nicht zum ersten Mal. Seine Noten waren, seitdem er seinen Vater bei einem Autounfall verloren hatte, miserabel.

«Ich weiss, dass das schwierig ist für dich, aber du musst dich zusammenreissen und mal vergessen, was Vergangenheit ist», sagte Herr Meier total selbstverständlich. Oliver nickte nur und wollte einfach nach Hause und sah sowieso keinen Sinn darin, sich anzustrengen. Er verabschiedete sich höflich, verliess das Klassenzimmer und steckte sich beide Kopfhörer ins Ohr.

Kurze Momente der Freiheit

Er stieg auf sein eigentlich nicht fahrtaugliches Fahrrad und fuhr los. Das war der einzige Moment am Tag, in dem sich die Freiheit in ihm entfalten konnte. Niemand konnte ihm diese Freiheit nehmen. Er fühlte, wie seine Haare im Wind wehten. Er machte die Musik lauter.

Eine Viertelstunde später kam er zu Hause an und seine Mutter fragte ihn, wie es in der Schule gewesen sei. «Gut.» Er ging auf sein Zimmer. Seine Mutter fragte ihn, noch während er auf der Treppe war, ob er den Mathetest zurückbekommen habe. Er log und sagte, dass die Lehrerin krank gewesen sei, in Wahrheit hatte er eine 2,5 bekommen.

Er schmiss seinen Rucksack in die Ecke. Er hatte Durst, aber kein Wasser bei sich im Zimmer, seine Mutter hatte immer eine Flasche auf ihrem Nachttisch. Also begab sich Oliver ins Schlafzimmer, nahm einen Schluck und stellte die Flasche unauffällig wieder zurück.

Die Balkontür stand offen und wehte eine alte Zeitung weg. Die Zeitung lag auf einer Kiste, die seinem Vater gehörte. Er blickte hinein, pustete kräftig und sah eine Platte von David Bowie: «Starman».

In seinem Zimmer stand noch immer der Plattenspieler seines Vaters. Er schloss die Augen, setzte die Nadel sorgfältig auf. Nach dem ersten Ton wurden all seine Erinnerung vor dem Tod seines Vaters wach. Aus irgendeinem Grund sah er wieder Hoffnung, etwas für sein Leben zu tun. Er hörte den ganzen Abend alle Alben von David Bowie und erinnerte sich an seinen Vater und die Zeit, in der er noch ein Musterschüler gewesen war. 

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