Die Pilotstudie zu den sexuellen Missbräuchen in der katholischen Kirche hat Bestürzung ausgelöst. Haben Sie dieses Ausmass erwartet?
Luc Hummel: Es war leider zu erwarten, wenn man die Zahlen mit den Studien in unseren Nachbarländern reflektiert. Zu denken gibt weiter, dass es sich dabei gemäss den Autoren um die Spitze des Eisbergs handeln soll.
Wie geht es Ihnen da als Katholik?
Es geht mir als Menschen und auch als Katholik nicht gut. Ich arbeite in einer Kirche, welche sich viel zu lange auf die Seite des Systems und des Machterhalts und nicht zu den Opfern hingewandt hat. Das beschämt mich.
Die Zürcher Regierungsrätin Jacqueline Fehr meinte: «Die kirchliche Organisationsstruktur erfüllt grundsätzliche rechtsstaatliche Prinzipien nicht.» Stimmt diese Aussage?
Dem ist nichts beizufügen. Ich teile diese Einschätzung. Einzig das duale System mit der staatskirchenrechtlichen Ausprägung kennt die Gewaltenteilung, die Gleichberechtigung und das Diskriminierungsverbot.
Trotzdem hat man das Gefühl, die Katholische Kirche agiere in einem eigenen Rechtsraum. Anders kann man sich nicht erklären, dass die Täter so geschützt wurden.
Das war viel zu lange so. Aktuell würde ich die Lage anders beurteilen. Wir kennen im Aargau seit mehreren Jahren eine Anzeigepflicht für Mitarbeitende, die von Missbrauch Kenntnis haben, und wir arbeiten mit den staatlichen Opferhilfestellen zusammen.