Die Evangelisch-reformierte Kirche (EKS) wird bei der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in der Schweiz nicht den Lead übernehmen. Nach diesem Entscheid des Kirchenparlaments hätte ein schaler Beigeschmack zurückbleiben können. Dass dies nicht der Fall ist, liegt nicht zuletzt an einer Debatte, für die man alle Beteiligten loben darf. Die Kirche hat an ihrer Sommersynode gezeigt, dass sie willens und fähig ist, heikle Themen aufzugreifen.
Eine Mehrheit widerstand der Versuchung, vorerst nur eine Grundsatzerklärung zu verabschieden und eine Kontroverse zu vermeiden, wie dies die Berner Delegation vorgeschlagen hatte. Die Synodalen wollten beim Thema Missbrauch hinschauen, waren nur über das Wie uneins.
Dass die Diskussion derart konkret geführt werden konnte, war auch der EKS-Leitung zu verdanken. Sie hatte mit ihrem Antrag auf eine Dunkelfeldstudie für 1,6 Millionen Franken ein bereits sehr klar definiertes Projekt vorgelegt. Einige kritisierten dies als «Vorpreschen». Es war aber vielmehr ein dezidiertes Vorangehen, das verhinderte, dass die Synode im Ungefähren bleiben konnte.
Die Arbeit fängt erst an
Die Missbrauchsdebatte war ein Lehrstück in Diskussionskultur: Synodalratspräsidentin Evelyn Borer reagierte flexibel und stellte die Traktandenliste um, als klar wurde, dass die reservierte Zeit zu knapp bemessen war. Die Synodalen sägten den Antrag des Rats nicht einfach ab, sondern einigten sich auf einen neuen Weg. Und Ratspräsidentin Rita Famos nahm den geänderten Auftrag des Parlaments an und versprach, sich dafür einzusetzen.
Nach der gelungenen Debatte fängt die Arbeit erst an. Die EKS muss nun rasch die externe Meldestelle für Betroffene einrichten. Und sollte sich zeigen, dass Opfer von Missbrauch doch mehr Fakten verlangen, muss eine kircheninterne Untersuchung in Angriff genommen werden.