Recherche 18. Juni 2018, von Felix Reich

Die Abgeordneten halten an ihrem Präsidenten fest

Kirchenbund

Gottfried Locher bleibt Kirchenbundspräsident. Die Debatte vor der Wahl spiegelte die turbulenten Wochen, seit sich Rita Famos zur Kandidatur entschieden hatte.

Überraschungen gab es am 17. Juni nur im Fussball. Mexiko schlug Deutschland, und die Schweiz trotzte Brasilien ein Unentschieden ab. Zwar wurde auch an der Abgeordnetenversammlung des Kirchenbunds mit harten Bandagen gekämpft, doch der Wahlausgang konnte nicht überraschen. Gottfried Locher entschied das Duell mit Rita Famos für sich und geht als Ratspräsident in seine dritte Legislatur. Locher erhielt 43 Stimmen, 24 Abgeordnete stimmten für Famos.

«Unerträgliche Angriffe»

Vor der Wahl fielen während gut einer Stunde deutliche Worte, zahlreiche Abgeordnete meldeten sich zu Wort. Martin Schmidt (St. Gallen) sagte zwar, dass nach der Entscheidung «irgendjemand die Scherben wieder zusammenkehren muss».

Der St. Galler Kirchenratspräsident selbst sprach jedoch von einer «Abwahlkampagne» und kritisierte Famos dafür, dass sie sich vor ein Netzwerk stelle, das «auf unerträgliche Weise Angriffe auf den Präsidenten» geritten habe. Locher war für seine Äusserungen über Prostitution kritisiert worden, die er in einem Buch von Josef Hochstrasser 2014 gemachte hatte. Zudem stand der Vorwurf im Raum, dass er überhöhte Spesenforderungen stelle.

«An die Wand gefahren»

Locher habe sich in der Schweiz und im Ausland «grossen Respekt» erarbeitet, die Verfassungsrevision sei sein Werk, sagte Schmidt. Seine Delegation traue dem «medial angegriffenen Präsidenten» zu, die Kirche in die Zeit mit der neuen Verfassung zu führen.

Mit der neuen Verfassung, über welche die Abgeordneten an der gleichen, bis am 19. Juni dauernden Versammlung abstimmen, wird der Kirchenbund zur Evangelischen Kirche Schweiz. Doch sei sie keine Erfolgsgeschichte, die Locher für sich beanspruchen könne, sagte Michel Müller (Zürich). «Diese Verfassung ist unser Gemeinschaftswerk.» Der Zürcher Kirchenratspräsident kritisierte nicht nur, dass die Ausarbeitung acht Jahre in Anspruch genommen habe und vom Rat zuerst vor vier Jahren «an die Wand gefahren wurde». Auch das Reformationsjubiläum sei «mit einem Kommunikationsdesaster gestartet». Doch stets habe Locher seine Vizepräsidenten vorgeschoben und sei dann als Retter aufgetreten.

«Quer denken und aufrütteln»

Müller warf Locher auch vor, sich dem Wahlkampf entzogen zu haben. Ein guter Kommunikator zeige sich in der Krise, der amtierende Präsident aber habe sich weg geduckt. «Vertrauen lässt sich nicht mit Macht durchdrücken», sagte Müller und forderte Locher auf, selbst die Konsequenzen zu ziehen und gar nicht erst zur Wiederwahl anzutreten.

Rita Famos hingegen stehe «in der Mitte des Lebens und in der Mitte des Glaubens», sagte Müller. Sie habe es in einem kurzen Wahlkampf geschafft, bleibende Bilder zu schaffen. «Wenn Rita Famos allein kandidieren würde, wäre die Sache klar.»

Unterstützung erhielt Locher von Ursula Stämmer (Luzern). Der Präsident denke quer und handle frei, sagte sie in Anlehnung an das Motto des Kirchenbunds zum Reformationsjubiläum. «Es ist gut, jemanden an der Spitze zu haben, der uns auch einmal aufrüttelt», sagte die Luzerner Synodalratspräsidentin.

«Es hat sich gelohnt»

Rita Famos betonte nach ihrer Niederlage, dass es sich gelohnt habe, anzutreten. «Diese drei Wochen haben gezeigt, dass es die Basis und die Öffentlichkeit interessiert, wer Führungsverantwortung trägt.» Sie habe eine lebendige Vielfalt und Vitalität gespürt, sagte die Pfarrerin, die in der Zürcher Landeskirche die Abteilung für Spezialseelsorge leitet. Und später fügte sie an, dass ihre Kandidatur auch Transparenz hergestellt habe.

Sie bezog sich auf Johannes Rauh (Zug), der im Namen der Geschäftsprüfungskommission vor den Wahlen erklärt hatte, dass auf der Geschäftsstelle als Konsequenz aus den Gerüchten über Unregelmässigkeiten das Prinzip mit doppelter Unterschrift eingeführt werde. Zudem habe der Rat 26'000 Franken für die Krisenkommunikation bewilligt. Kein Vorwurf gegen Locher habe sich erhärtet. Rauh nannte Lohn, Spesen, Kommunikationsberatung und den Umgang mit Macht. Er verwies in diesem Zusammenhang auf die 2011 installierte externe Ombudsstelle, die in Konflikten «bisher immer Lösungen gefunden hat».

«Direkt miteinander reden»

Gottfried Locher sagte den Abgeordneten nach der Wahl, er sei stolz darauf, «dass wir hier im Saal direkt miteinander reden» und nicht via Medien. Zugleich bat er die Abgeordneten um Schutz, wenn er auch in Zukunft «Dinge nicht so gut sage». Zugleich betonte er die Wichtigkeit der Verfassung, die nun rasch umgesetzt werden müsse.