Anfang April wurde die Nachricht publik: Das Staatssekretariat für Migration (SEM) und das Bundesverwaltungsgericht schätzen die Lage in Eritrea neu ein und kommen zum Schluss, dass für etwas mehr als 3000 vorläufig Aufgenommene in der Schweiz eine Rückkehr in ihre Heimat «grundsätzlich zumutbar» sein könnte. Noch 2015 war Justizministerin Simonetta Sommaruga anderer Meinung: Es sei undenkbar, dass die Schweiz Menschen in einen Willkürstaat zurückschicke, argumentierte sie damals. Nun sei die Situation in Eritrea aber neu beurteilt worden, und ein Teil der insgesamt gut 9000 vorläufigen Aufnahmen würden deshalb neu überprüft.
Lage in Eritrea bleibt unklar
Darauf reagiert jetzt der Synodalrat der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn mit einem offenen Brief an die Bundesrätin: «Mit Bestürzung, Besorgnis und Unverständnis» nähmen die Ratsmitglieder die geänderte Praxis zur Kenntnis. «Der Synodalrat versteht nicht, warum Sie und das Staatssekretariat für Migration dem politischen Druck nach einer weiteren Verschärfung im Umgang mit den Eritreerinnen und Eritreern nachgegeben haben, obwohl dafür objektiv kein Anlass besteht.» Eine objektive Einschätzung der Lage sei schlicht nicht möglich, schreibt Ratspräsident Andreas Zeller und beruft sich auf die Aussage von François Crépeau, UNO-Sonderbotschafter für die Menschenrechte von Migranten: «Gibt es Zweifel, ob Menschen Schutz nötig haben oder nicht, dann hat der Schutz Vorrang.
Neueinschätzung führt nicht zur Ausweisung
Daniel Bach, Informationschef beim Staatssekretariat für Migration, hält dagegen: Die Fact-Finding-Missionen von Spezialisten aus der Schweiz und anderen europäischen Ländern seien bereits 2016 zum Schluss gekommen, dass eine Rückkehr nach Eritrea nicht grundsätzlich unmöglich sei. «Wer nicht befürchten muss, bei einer Rückkehr in den Nationaldienst eingezogen zu werden, bei dem kann eine Rückkehr zumutbar sein», so Bach. Allerdings werde bei jedem einzelnen Fall anhand der konkreten Umstände geprüft, ob eine solche Rückkehr tatsächlich zulässig, zumutbar und verhältnismässig sei. Wenn nicht, werde die vorläufige Aufnahme nicht aufgehoben
Menschlich nicht vertretbar
Erfahrungsgemäss seien die Voraussetzungen für die Aufhebung nur bei weniger als 10 Prozent der Vorläufig Aufgenommenen tatsächlich gegeben. «Das haben wir vom SEM etwas missverständlich kommuniziert: Wir werden sicher nicht 3000 Eritreerinnen und Eritreer aufgrund dieser Überprüfung wegweisen.» Aktuell sei ohnehin nur eine freiwillige Rückkehr möglich. Gegen seinen Willen könne man niemanden zurückschaffen. «Was sich bei einer allfälligen Aufhebung der vorläufigen Aufnahme ändert ist, dass diese Personen einen Wegweisungsentscheid und nur noch Anrecht auf Nothilfe und nicht mehr auf Sozialhilfe haben», erklärt Bach. Damit wolle man abgewiesene Asylsuchende zu einer freiwilligen Rückkehr in ihre Heimat bewegen.
Der Synodalrat weist in seinem Brief auf die Problematik dieser Regelung hin: «Kaum einer der Abgewiesenen kehrt nach Eritrea zurück. Etliche tauchen ab und werden entweder in der Schweiz oder anderswo in Europa zu Sans-Papiers.» Auch hätten sie als vorläufig Aufgenommene bereits viel Energie in ihre Integration investiert, stünden an der Schwelle des ersten Arbeitsmarktes und seien unabhängig von staatlicher Unterstützung. Seitens der Behörden sei das «auch menschlich ein nicht vertretbarer Bruch von Treu und Glauben», und deshalb müsse die laufende Überprüfung umgehend beenden werden. Welche Wirkung diese Worte haben, ist allerdings offen.