Wenn Sie auf den Verlauf der Pandemie zurückblicken: Gibt es ein Bild, das Ihnen geblieben ist?
Susanna Meyer Kunz: Im März vor einem Jahr begleitete ich eine Familie, deren Angehöriger an Covid-19 gestorben war. Beim Abschied am Bett trugen wir Schutzanzüge, meine Brille lief an. Danach sah ich, wie Pflegefachpersonen den Bodybag mit dem Reissverschluss schlossen. Mir wurde klar, dass sich meine Arbeit in der Pandemie verändert.
War das ein Schock?
Meyer Kunz: Ich war erschüttert. Ich kannte die Bilder aus Bergamo, wo die Menschen nicht mehr von ihren Toten Abschied nehmen konnten. Solche Szenarien zu verhindern, war ein Ansporn und löste im Team einen Kreativitätsschub aus.
Wie konnten Sie als Seelsorgerin die Situation beeinflussen?
Meyer Kunz: Wir haben darauf gedrängt, dass trotz Schutzkonzept ein würdevoller Abschied möglich ist. Während der Gespräche mit der Spitaldirektion kam mir Abraham in den Sinn, der zum Anwalt der unschuldigen Menschen in Sodom wird und versucht, Gott wie auf dem Basar Zugeständnisse abzuringen (Gen 18,16). Auch dank technischer Hilfsmittel wie Videotelefonie ist es uns gelungen, trotz Isolation Brücken zwischen Patientinnen und Angehörigen zu bauen.