Schwerpunkt 25. Februar 2022, von Hans Herrmann

Einlaufen in den vertrauten Hafen

Heimweg

Was die unterschiedlichen Heimwege für die Menschen bedeuten und warum der Heimweg für den Theologen und Erziehungswissenschaftler Fulbert Steffensky etwas Anarchistisches hat.

«Zeig mir den Weg nach Hause, ich bin müde und will zu Bett.» So beginnt der englische Text des alten Songs «Show me the way to go home». Weiter: «Ich habe vor einer Stunde etwas getrunken, das ist mir zu Kopf gestiegen.»

Ein Betrunkener auf dem Nachhau­seweg also. Auf dem Weg heim ins Bett, wo er, fern vom Lärm und dem Qualm des Wirtshauses, ungestört seinen Rausch ausschlafen kann. Offenbar gestaltet sich dieser Heimweg – den der Protagonist ohne Hilfe nicht mehr findet – zur Odyssee, an deren Ende hoffent­l­ich das Einlaufen in den sicheren Hafen steht.

Für viele Menschen bedeutet der Heimweg ebendies: die Route in den sicheren Hafen, wo die kleinen und grösseren Stürme des Alltags für eine Weile ihre Bedeutung verlieren. Für andere steht der Weg nach Hause jedoch für das Gegenteil: In den eigenen vier Wänden warten Konflikte und Ärger. Der Heimweg wird zum Gang in die Problemzone.

Heimwege sind die Umkehrung von Aufbrüchen. So auch der Lebensweg: Irgendwann macht er eine Kur­ve, dann führt er langsam zu­rück nach Hause, von wo wir alle kommen und wohin wir alle gehen, begleitet von Erinnerungen.

Heimwege sind aber nicht nur emo­tionale, sondern auch – und vor allem – räumliche Strecken, die es zurückzulegen, zu bewältigen gilt, wahlweise zu Fuss, auf dem Velo, im Auto, mit dem Bus. Manche sind sportliche oder nervliche Herausforderungen, andere gestalten sich, bei der Zeitungs­lektüre im Eisenbahnsessel, als Auf­takt zu einem gemütlichen Leseabend zu Hause.

Alle Heimwege verbindet eine Gemeinsamkeit: Sie sind anders als der jeweilige Hinweg. Der Hügel, der Baum, die Häuserzeile, alles zeigt sich auf dem Heimweg von der anderen Seite, die Landschaft wirkt verändert, bekommt einen neuen Horizont, einen neuen Himmel, neue Perspektiven.

Heimwege sind die Umkehrung von Aufbrüchen. So auch der Lebensweg: Irgendwann macht er eine Kur­ve, dann führt er langsam zu­rück nach Hause, von wo wir alle kommen und wohin wir alle gehen, begleitet von Erinnerungen.

Der Mann im Song ruft nach je­mandem, der ihm den Weg zeigt. Vermutlich tarnt er so aber nur sein Bedürfnis nach einem be­schwips­ten Schwatz – denn un­se­ren Weg nach Hause, den ver­gessen wir niemals.