«Ich mag die Kraft, Geschmeidigkeit und die Kühle, wenn sie sich um mich schlingt. Sie kann zwar beissen, aber nur wenn man sie provoziert. Es kommt immer auf die Behandlung an; auch Schlangen können gezähmt werden. Kornnattern sind Würge- und keine Giftschlangen. In der Natur töten sie ihre Beute blitzschnell – listig sind sie keineswegs. Ich füttere sie etwa alle drei Wochen mit toten Mäusen und kleinen Eiern.
Ich habe Gaia vor zwei Jahren übernommen, weil ihre alten Besitzer sie sofort loswerden wollten. Meine Beziehung zu ihr besteht vor allem aus Faszination und Bewunderung für dieses mythologisch hochaufgeladene Tier. Ich kann sie lesen, sehe, wenn sie Angst oder Hunger hat. Wenn ich sie jemand anderem in die Hände gebe, wird sie nervös, wie ich jeweils erstaunt feststelle.
Die Provokation. Ihren Namen habe ich bewusst gewählt. Es ist eine theologische Provokation: In der griechischen Mythologie ist Gaia die personifizierte Erde und eine der ersten Gottheiten. Die Schlange ist Symbolfigur für den weiblichen Teil Gottes. Dieser Teil, der im Christentum in der Ruach, dem Heiligen Geist, gesehen werden kann, ist mir wichtig.
Tiere sind aus meinem Leben nicht wegzudenken. Als ich noch im Pfarramt war, erholte ich mich etwa nach einer Beerdigung mit meinen Hunden im Wald. Wenn ich heute in der Forschung nicht vorwärtskomme oder in einem Vortrag stecken bleibe, gehe ich mit den Hunden raus. Und schon sehen die Arbeit und die Welt wieder anders aus.»