Tiere segnen – geht das?

Tiere

Tiere sollen in der Kirche Raum erhalten. Dieses Bedürfnis ist spürbar. Ihm entgegen kommen Segnungsfeiern für Mensch und Tier.

Eines ist unbestritten: Tiere tun den Menschen gut. Wer selber ein Haustier hat, weiss, wovon die Rede ist. Sie wachsen einem ans Herz, sind Familienmitglieder und geben immer wieder Anlass zur Freude. So leben in der Schweiz rund 1,6 Millionen Katzen und etwa 500 000 Hunde – mit Abstand die beiden beliebtesten Haustiere.

Tierflüsterer. Auch in den Religionen sind Tiere wichtig. In der Bibel werden etwa 130 Tierarten erwähnt. In der Schöpfungsgeschichte heisst es, der Mensch soll sie sich untertan machen. «Und sie sollen herrschen über die Fische des Meers und über die Vögel des Himmels, über das Vieh und über die ganze Erde und über alle Kriechtiere, die sich auf der Erde regen.» (Gen 1, 26-28).

Noah hingegen rettet auf göttliches Geheiss Menschen und Tiere als gleichberechtigte Wesen vor der Sintflut. «Und alle Tiere, die bei dir sind, alles Fleisch: die Vögel, das Vieh und alle Kriech­tiere, die auf der Erde sich regen, die lass mit dir heraus, dass sie wimmeln auf der Erde und fruchtbar seien und sich mehren auf der Erde.» (Gen 8, 15-17).

In der katholischen Kirche haben Tiere einen einflussreichen Patron: Franz von Assisi. Er war nicht nur Tierfreund, sondern auch Tierflüsterer. Angeblich sollen ihn sogar die Vögel verstanden haben, wenn er zu ihnen sprach, und selbst der Wolf soll in seiner Gegenwart zahm geworden sein. Tiergottesdienste und Tiersegnungen sind weit verbreitet. Sogar Papst Franziskus seg­nete an einem Medienanlass jüngst spontan einen Blindenhund.

Ohne Franz. Den Reformierten freilich fehlt ein Heiliger wie Franz von Assisi. Tiere sind in der reformierten Kirche weniger spürbar. Ein Segen, so die traditionell reformierte Auffassung, ist Menschen vorbe­halten. Eine Segnung von Tieren oder Gegenständen ist streng genommen nicht möglich.

Was aber auffällt: Wenn man sich mit reformierten Pfarrerinnen und Pfarrer über Tiersegnungen unterhält, geben die meisten an, dass sie ohne mit der Wimper zu zucken auch ein Tier segnen würden. Besonders viel Verständnis für den Wunsch, ein Tier segnen zu lassen, haben jene, die selber ein Tier oder auch mehrere Tiere besitzen.

Kirche für die Tiere. Offenbar besteht auch auf reformierter Seite ein Bedürfnis, Tiere kirchlich einzubinden. Am Pfingstsonntag, 4. Ju­ni, findet in der City-Kirche Offener St. Jakob bereits zum zweiten Mal ein Tiergottesdienst mit Segnungsfeier für Mensch und Tier statt. Mitgetragen wird er vom Verein Aktion Kirche und Tier (AKUT).

Die Relevanz des Themas beweist ferner auch eine Geste des Rats­vorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm. An einem ökumenischen Gottesdienst zur Bauernwallfahrt im bayrischen Altötting segnete er demonstrativ Ochsen, Kälber, Schafe, Esel und Hühner. Der Segen für die Tiere solle zum Ausdruck bringen, dass auch die «aussermenschliche Schöpfung eine Würde hat und Segen verdient», sagte Bedford-Strohm. Tiere seien für den Menschen nicht einfach nur Besitz und Sachwert, sondern ein Mitgeschöpf.

Die Meinungen dazu mögen auseinander gehen. Fest steht: Die Tiere verdienen es, hier für einmal im Mittelpunkt zu stehen.