Meinung 25. Oktober 2021, von Thomas Illi

Eine Spende ist doch ein freiwilliges Geschenk

Organspenden

Die Widerspruchslösung würde das ethische Dilemma ausgerechnet auf jene verlagern, die so dringend auf eine Spende angewiesen sind. Ein Schwachpunkt, findet Redaktor Thomas Illi.

Das Leben an sich ist ein wunderbares Geschenk, eine intakte Gesundheit ebenso. Manche Menschen aber brauchen, um angesichts einer schweren Krankheit die Lebensqualität erhalten oder verbessern zu können, ja um überhaupt weiterleben zu können, ein neues Organ. Die moderne Medizin hat möglich gemacht – hat fast schon zur Routine gemacht –, was vor wenigen Jahrzehnten noch undenkbar gewesen wäre: ein zweites, geschenktes Leben durch eine Organspende.

Auf den Tod eines anderen warten

Alles andere als Routine aber ist nach wie vor der Umgang verantwortungsbewusster Menschen mit ethischen Fragen, die sich rund um die Transplantationsmedizin stellen. Davon nur eine: Auf ein Organ zu warten, bedeutet für die Betroffenen, auf den Tod eines anderen Menschen zu warten.

Um das Geschenk einer lebensrettenden Organspende vorbehaltlos dankbar annehmen zu können, war bis anhin die Gewissheit Trost und Hilfe, dass das Geschenk freiwillig und ganz bewusst erfolgte. Und nicht etwa, weil der andere Mensch es zu Lebzeiten unterliess, seine Zustimmung explizit zu verweigern. Oder weil er keine Angehörigen hatte, die das posthum für ihn übernehmen konnten. Ist eine solche Organspende überhaupt noch eine Spende, ein Geschenk, über das ich mich als Organempfänger freuen kann?

Breite Diskussion im Volk

Dieses ethische Dilemma letztlich ausgerechnet auf jene Menschen zu verlagern, die dringend auf ein neues Organ angewiesen sind, ist ein grosser Schwachpunkt der Widerspruchslösung. Der von der Nationalen Ethikkommission ins Spiel gebrachte dritte Weg, die «Erklärungslösung», fokussiert zwar ebenfalls auf die Spender- und nicht auf die Empfängerperspektive, will aber eine breite Auseinandersetzung der Bevölkerung mit dem Thema anstossen. Eine solche wird nun möglich, nachdem ein überparteiliches Komitee doch noch ein Referendum gegen die Vorlage angekündigt hat.