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73 Prozent der Befragten sind grundsätzlich bereit, nach dem Tod Organe zu spenden. Dies ergibt eine Repräsentativumfrage, die das Institut Demoscope im Auftrag von «reformiert.» im vergangenen August durchgeführt hat. Obwohl die Spendebereitschaft und die Zahl der Organspenden in der Schweiz tendenziell zunehmen, bleibt die Warteliste von Empfängern lang.
«reformiert.» wollte unter anderem wissen, warum jemand spenden oder nicht spenden will und wie die Leute zur sogenannten «Widerspruchslösung» stehen. Telefonisch befragt wurden 1138 Personen aus der Wohnbevölkerung der Deutsch- und Westschweiz ab 15 Jahren, darunter 1008 Stimmberechtigte.
Systemwechsel gefordert
Die Widerspruchslösung wird von der im März eingereichten Organspende-Initiative gefordert. Aktuell müssen Spenderinnen und Spender in der Schweiz ihre Bereitschaft ausdrücklich festhalten, ansonsten gelten sie als Nichtspender. Das Komitee der Volksinitiative will nun das Gegenteil: Wer nicht schriftlich deklariert, dass er oder sie nicht spenden will, gilt automatisch als Spenderin. In der Umfrage von «reformiert.» befürworten 57 Prozent diesen Systemwechsel, 32 Prozent sind dagegen. Doch warum stimmen nicht alle Spendewilligen ebenso der geforderten «Widerspruchslösung» zu? Für sie würde sich dadurch ja nichts ändern.
Für Tanja Krones ist es keine Überraschung, dass auch Spendewillige einem Systemwechsel kritisch gegenüberstehen. Sie ist leitende Ärztin für Klinische Ethik am Universitätsspital Zürich und Mitglied der Nationalen Ethikkommission. Es mache durchaus einen Unterschied, ob man lediglich für sich persönlich entscheide oder ob der Entscheid einen normativ-ethischen Charakter habe, erklärt sie. «Wenn etwas für mich stimmt, muss es nicht unbedingt auch für die anderen gelten. Ich finde es legitim zu sagen: Ich stimme der Organspende zu, finde es aber nicht nötig, dass alle sich dafür oder dagegen entscheiden müssen.»
Angehörige haben Vetorecht
Krones weiss, dass viele glauben, mit dem neuen System des Widerspruchs würden allen Verstorbenen, die keine Angaben gemacht haben, automatisch Organe entnommen. «Das ist aber nicht der Fall. Egal, welche Lösung gilt: Wenn Angehörige gegen eine Spende sind, wird dies respektiert.»
Auch Franz Immer, CEO von Swisstransplant, hat eine Erklärung für den Sprung zwischen dem deutlichen Ja zum Spenden und dem weniger deutlichen Ja zur Widerspruchslösung: «Die Befragten betonen damit das allgemeine Recht auf körperliche Integrität.» Und möchten, so Immer, dass sich der Staat bei dieser Angelegenheit nicht einmische.
Er könne dies nachvollziehen, sagt der Herz- und Gefässchirurg, nur gehe ein Nichtentscheid oft auf Kosten der Angehörigen. «Für sie kann es sehr belastend sein, stellvertretend im Sinne des Verstorbenen über eine Organentnahme zu entscheiden.» Deshalb unterstütze Swisstransplant den Gegenvorschlag des Bundesrats. «Die erweiterte Widerspruchslösung, die die Angehörigen zwingend beim Entscheid einbezieht, ist ganz in unserem Sinn.»
Das Prinzip der Gabe
Für Organspenden, aber zugleich gegen die Widerspruchslösung zu sein, sei aus ethischer Sicht eine gut begründete Position, findet Markus Zimmermann, Vizepräsident der Nationalen Ethikkommission. «Organspende ist eine Spende, eine Gabe. Da darf keinerlei Druck ausgeübt werden», sagt der Theologe. Sobald aber der Gesetzgeber bestimme, dass alle Leute Spenderinnen und Spender seien – ausser sie deklarierten ihr Nein – werde dieses Prinzip der Gabe unterhöhlt.
«Und wenn Bürgerinnen und Bürger per Gesetz gezwungen werden, sich mit dem eigenen Tod zu konfrontieren, werden ihre Grundrechte tangiert.» Zimmermann verweist auf den Artikel zur Selbstbestimmung und Menschenwürde in der Verfassung, der die Freiheit garantiere, sich nicht entscheiden zu müssen. Deshalb schlägt die Nationale Ethikkommission neben einem Ja oder Nein noch eine dritte Möglichkeit vor, nämlich «keine Erklärung».
Die Repräsentativbefragung von Demoscope im Auftrag von «reformiert.» als PDF herunterladen.