Recherche 23. Oktober 2019, von Marius Schären

Andere Umfrage kommt zu etwas anderen Resultaten

Medizin

Die Analyse von ähnlichen Umfragen zeigt: Manchmal ist nicht alles so verschieden, wie es zuerst scheint. Details können entscheidend sein.

Dieser Artikel ist ein Beitrag zur repräsentativen Umfrage über Organspenden von Demoscope im Auftrag von «reformiert.». Weitere Beiträge dazu finden Sie unten im Anschluss an diesen Artikel.

Praktisch zeitgleich mit der Demoscope-Umfrage zum Organspenden für «reformiert.» führte auch das Institut Gfs eine repräsentative Umfrage durch. Der Auftrag kam von Swiss­trans­plant, der nationalen Stiftung für Organspende und Transplantation. 74 Prozent der Befragten gaben dabei an, grundsätzlich «auf jeden Fall» oder «eher bereit» zu sein, nach dem Tod Organe zu spenden. Das entspricht ziemlich genau den 73 Prozent der Umfrage von «reformiert.».

Unterschiedlich gefragt

Andere Resultate ergibt hingegen die Frage, wie man abstimmen würde, wenn jetzt die Organspende-Initiative zur Abstimmung käme. In der Swisstransplant-Umfrage antworteten 76 Pro­zent, sie würden zustimmen (eher oder bestimmt). Bei «reformiert.» gab es dagegen nur 57 Prozent Ja.

Weitere vergleichbare Fragen zeigen ebenfalls unterschiedliche Resultate. Eine genauere Betrachtung der beiden Umfragen zeigt aber: Die Unterschiede finden sich nicht nur in den Resultaten, sondern bereits in den Fragen. Bei der Umfrage von «reformiert.» etwa erläuterten die Befragenden gleich in der Frage selbst kurz die heutige Lösung und jene der Organspende-Initiative. Ausserdem bezieht sich das Resultat auf alle befragten Stimmberechtigten.

Unterschiedlich angepriesen

Anders der Ablauf bei der Swisstransplant-Umfrage. In einem ersten Schritt erfolgt die Erklärung der Initiative – ähnlich, wie sie in der Frage von «reformiert.» formuliert war. Anschliessend wurde den Befragten eine Frage zum erwarteten Ausgang der Abstimmung gestellt. Dann folgte die Frage, ob die Befragten an der Abstimmung teilnehmen würden (bestimmt/eher/eher nicht/bestimmt nicht). Als Drittes schliesslich stellten die Gfs-Mitarbeitenden die sogenannte Sonntagsfrage: Wäre morgen die Abstimmung über die Initiative, wären Sie dann bestimmt oder eher dafür oder eher oder bestimmt dagegen?

Zu beachten ist dann, dass die von Swisstransplant als Hauptschlagzeile verwendeten 76 Prozent Zustimmung (mit «bestimmt» oder «eher dafür») für jene Personengruppe gilt, die zuvor gesagt hatte, sie würde bestimmt oder eher abstimmen gehen. Die 57 Prozent Ja von der «reformiert.»-Umfrage hingegen wurde wie erwähnt allen Stimmberechtigten gestellt.

Gleiches mit Gleichem verglichen schrumpft der Unterschied zwischen den beiden Umfragen wieder. Von allen befragten Stimmberechtigten sagten in der Gfs-Befragung 60 Prozent, sie würden bestimmt oder eher für die Initiative stimmen – das sind bloss 3 Prozent mehr als in der Umfrage von «reformiert.».

Situation in der Frage angeregt

Ein klarer Unterschied in der Fragestellung zwischen den beiden Untersuchungen findet sich zum Thema «selbst Organe annehmen». Die Gfs-Befragenden formulierten es gegenüber den Stimmberechtigten so:

«Wenn morgen nur eine Organspende Ihre Lebensqualität stark verbessern würde oder den drohenden Tod abwenden würde, wären sie dann bereit Organe entgegenzunehmen? Sagen Sie mir bitte, ob Sie sicher bereit, eher bereit, eher nicht bereit oder sicher nicht bereit sind, eine Organspende entgegenzunehmen.»

Dagegen lautete die Frage von Demoscope für «reformiert.»:

«Würden Sie selber Organe empfangen oder haben das schon getan?»

Die Antworten: Gegenüber Gfs sagten 74 Prozent der Stimmberechtigten, sie wären sicher oder eher bereit, Organe entgegenzunehmen. In der «reformiert.»-Umfrage gaben 5 Prozent aller Befragten ab 15 Jahre an, sie hätten bereits ein Spendeorgan erhalten, und 61 Prozent, sie würden eines annehmen.

Dass die Befragenden in der Frage selbst die drastische Situation explizit vor Augen führten, in der eine solche Entscheidung schliesslich definitiv gefällt werden muss, begründet Urs Bieri von Gfs Bern auf Anfrage so: «Bei einem echten Entscheid zu einer Organtransplantation ist relevant, dass man sich in einer aussergewöhnlichen bis existenziellen Situation befindet, was der im Interview Antwortende auch so mitdenken muss.» Mit der Fragestellung habe Gfs deshalb «einer realen Entscheidsituation» nahekommen wollen.

Hier können Sie die Repräsentativbefragung von Demoscope im Auftrag von «reformiert.» als PDF herunterladen.

Und hier finden Sie den Schlussbericht der Umfrage von Gfs im Auftrag von Swisstransplant als PDF.