Recherche 02. November 2020, von Felix Reich

Rita Famos ist neue EKS-Präsidentin

Kirche

Rita Famos ist Präsidentin der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz. Die Zürcher Pfarrerin setzte sich bereits im ersten Wahlgang gegen Isabelle Graesslé aus der Waadt durch.

Historisch ist die Wahl von Rita Famos gleich in doppelter Hinsicht. Erstmals steht eine Frau an der Spitze der Evangelisch-reformierten Kirche Schweiz. Und wegen der Corona-Pandemie musste die Synode virtuell durchgeführt werden. Das dreiköpfige Präsidium sass einsam in der Halle eines Berner Kongresszentrums, die Synodalen schalteten sich von ihren Computerbildschirmen aus in die Debatte ein.

Natürlich mussten auch die Wahlen, die am 2. November auf der Traktandenliste standen, elektronisch durchgeführt werden. Gesucht war eine Nachfolgerin von Gottfried Locher, der Ende Mai als Präsident der EKS zurückgetreten war. Zudem war seit April und dem Rücktritt von Sabine Brändlin ein Sitz im Rat vakant. Beide hatten den Rat im Zuge der Wirren rund um eine Beschwerde wegen Grenzverletzungen verlassen, die gegen Locher eingereicht worden war.

Ähnliche Positionen

Neben Famos kandidierte die Pfarrerin Isabelle Graesslé für das Präsidum, die einst das Reformationsmuseum in Genf aufgebaut hatte. Graesslé unterlag mit 25 zu 47 ihrer Zürcher Konkurrentin bereits im ersten Wahlgang. In vielen Fragen positionierten sich Famos und Graesslé im Vorfeld der Wahlen ähnlich.

Während Famos 18 Jahre im Gemeindepfarramt gearbeitet hatte und auf allen kirchenpolitischen Ebenen von der Zürcher Synode bis zum Rat des Evangelischen Kirchenbunds aktiv war, hatte Graesslé stärker ihre akademische Karriere forciert. Portiert wurde die gebürtige Elsässerin von der Waadtländer Kirche, in der Gemeinde Prilly ist sie Pfarrerin. Famos wurde von der Zürcher Delegation vorgeschlagen. Famos leitet zurzeit noch die Abteilung Spezialseelsorge der Zürcher Landeskirche.

Vertrauen erarbeitet

Rita Famos war bereits 2018 zur Präsidiumswahl angetreten. Gottfried Locher stand zwar unter Druck, konnte die Wahl aber deutlich für sich entscheiden. Trotz der feindseligen Stimmung gelang es Famos, einen transparenten Wahlkampf zu führen, was ihr auch den Respekt des gegnerischen Lagers einbrachte. Von diesem gewonnen Vertrauen konnte sie nun profitieren.

Famos habe «genau das Profil, das die EKS jetzt braucht», sagte die Zürcher Kirchenrätin Esther Straub. Die Zürcher Pfarrerin könne den Dynamo der EKS wieder zum Laufen bringen, denn sie lasse sich von scheinbar aussichtslosen Situationen nicht entmutigen. Straub verwies auf die vertrauensbildenden Gespräche, mit denen Famos die Zusammenarbeit zwischen muslimischen Gemeinschaften und Kanton neu lanciert hatte, nachdem die Ausbildung muslimischer Seelsorger abrupt gestoppt worden war.

Famos erhielt nicht nur die Unterstützung grösserer Kirchen wie Bern-Jura-Solothurn, sondern auch aus dem Tessin und aus Baselstadt kamen Voten für die Zürcherin. Die Berner Synodalratspräsidentin Judith Pörksen forderte, dass die Doppelvertretung der Zürcher Kirche im Rat «bald möglichst korrigiert» werde. Bis 2022 ist noch Daniel Reuter im Amt, der auf Ende Jahr aus dem Zürcher Kirchenrat zurücktritt.

Methodistische Pfarrerin neu im Rat

Konkurrenzlos blieb Claudia Haslebacher, die für den vakanten Sitz im Rat kandidierte und entsprechend deutlich gewählt wurde. Als Präsidentin der damaligen Abgeordnetenversammlung des Kirchenbunds meisterte die Bernerin die anspruchsvolle Aufgabe, die Beratungen zum EKS-Verfassungsentwurf sowie die von Spannungen begleiteten Ratswahlen 2018 zu leiten.

Haslebacher ist Pfarrerin in der Evangelisch-Methodistischen Kirche (EMK), die ebenfalls zur EKS gehört. Sie studierte Theologie an der Methodistischen Theologischen Hochschule in Reutlingen, Deutschland. 1995 wurde sie zur Pfarrerin in der EMK ordiniert. Seit 2011 ist Haslebacher Vorsteherin des Berner Distrikts. Am 2. November erhielt sie 71 von 79 Stimmen.

Locher auf Tauchstation

Vorgesehen war, dass sich Gottfried Locher und Sabine Brändlin von der Synode verabschieden können. Brändlin nahm das Angebot an, ihre Ansprache wurde aber gestrichen, weil die Traktandenliste radikal gekürzt wurde und die Synode von einem dreitätigen Anlass in Bern zu einem eintätigen virtuellen Meeting schrumpfte.

Der zurückgetretene EKS-Präsident hingegen ging auf Tauchstation. Alle Versuche der Kontaktaufnahme scheiterten. Selbst ein eingeschriebener Brief sei zurückgekommen, sagte Synodepräsident Pierre de Salis.

Neu zusammengesetztes Präsidium

Als Synodepräsidentin wurde Evelyn Borer aus Dornach gewählt, sie vertritt die Solothurner Kirche. Ergänzt wird das Präsidum durch die Aargauer Juristin Catherine Berger als Vizepräsidentin sowie den Neuenburger Pfarrer Christian Miaz als Vizepräsident. Sie ersetzen Präsident Salis sowie die Vizes Barbara Damaschke-Bösch und Heinz Fischer.