Welche Bilder tauchen auf, wenn Sie an Ihr erstes Jahr an der Spitze der EKS zurückdenken?
Rita Famos: Mir kommen Begegnungen in den Sinn, selbst wenn sie nur am Bildschirm möglich waren. Mit Najla Kassab, Präsidentin der Weltgemeinschaft der reformierten Kirchen, sprach ich in einer Videokonferenz über unsere Aufgabe in der Kirchenleitung und die Lage in Libanon. Oder ich denke an Besuche in den Mitgliedskirchen. Eindrücklich war etwa die Ordination in der Kathedrale von Lausanne. Da zeigten sich mir Reichtum und Vielfalt der reformierten Tradition in der Schweiz. Die Ordinandinnen und Ordinanden knieten nieder, um den Segen zu empfangen. Diese Symbolkraft und Innigkeit gefällt mir, ich vermisse sie in der Deutschschweiz zuweilen ein wenig.
Stark in Anspruch genommen wurde die EKS von der Aufarbeitung der Ereignisse, die zum Rücktritt Ihres Vorgängers Gottfried Locher geführt haben. Waren Sie vor allem mit Aufräumarbeiten beschäftigt?
Federführend war bei der Aufarbeitung die Untersuchungskommission, die von der Synode eingesetzt wurde. Für mich als Ratspräsidentin geht es nun vor allem darum, die richtigen Lehren aus der Krise zu ziehen und Massnahmen umzusetzen, damit sich Grenzverletzungen und Machtmissbrauch nicht wiederholen. Diesen Auftrag hat der Rat auch von der Synode erhalten.
Der Konflikt hat den Rat durch-geschüttelt. Waren Sie nebst Präsidentin auch Therapeutin?
Eher Moderatorin. Zusammen mit Claudia Haslebacher, die im November 2020 ebenfalls neu in den Rat gewählt wurde, konnte ich mit mehr Distanz auf die Vorgänge blicken. Eine Erleichterung war, dass der Untersuchungsbericht die Ratsmitglieder weitgehend entlastet und ihnen attestiert, die Persönlichkeitsrechte und die Reputation der EKS im Blick gehabt zu haben.