Das Hiobbuch erzählt von einem reichen, frommen Mann, der alles verliert. Sein Besitz ist dahin, er wird krank, verliert seine Familie. Weil er auch trotz allem an Gott festhält, wird er am Ende belohnt und erhält seinen Besitz zurück.
So weit, so banal. Zur grossen Literatur machen das Hiobbuch, das über mehrere Jahrhunderte hinweg entstanden ist, seine Form und die verschiedenen Perspektiven auf die Kernerzählung. Im Zentrum der dichterischen Reflexionen steht die Frage, warum unschuldige Menschen leiden müssen. Zudem kratzt die Erzählung am Bild des gerechten Gottes, das die Propheten zeichnen.
Das angekratzte Gottesbild
Der Prolog spielt im Himmel. Der Satan, der als Figur aus einer niedrigen Charge im göttlichen Hofstaat vorgestellt wird, kommt gerade von seiner Erkundungstour auf der Erde zurück. Gott fragt ihn, ob er auch Hiob gesehen habe, auf den er besonders stolz ist, weil er «Gott fürchtet und das Böse meidet, schuldlos und aufrecht ist» (Hiob 1,8). Der Satan versucht, Gottes Misstrauen zu wecken. Kein Wunder, sei Hiob fromm, es gehe ihm schliesslich gut mit seinen sieben Söhnen und drei Töchtern, den 7000 Schafen und 3000 Kamelen, all seinen Rindern und Eselinnen.
«Doch strecke deine Hand aus und taste seine ganze Habe an – wenn er dich dann nicht ins Angesicht lästert!» (Hiob 1,11).
Der Satan stellt Hiob unter den Verdacht, dass seine Frömmigkeit dem materiellen Glück geschuldet ist und nicht einer inneren Glaubenshaltung. Diesen Zweifel will Gott zerstreuen, indem er seinen Musterschüler einem grausamen Test unterzieht. Solange Satan Hiob am Leben lässt, darf er mit ihm anstellen, was er will.
Egal, ob Gott oder der Satan richtigliegt, der Verlierer ihres Wettbewerbs steht von Anfang an fest: Hiob. Und so beginnen die Hiobsbotschaften, die ihn ereilen: Die Tiere werden geraubt, die Knechte erschlagen, seine Söhne und Töchter unter den Trümmern ihres Hauses begraben, das ein Sturmwind eingerissen hat.