«Die Eule muss mit», sagte mein Vater zu mir, als ich mich aufmachte, von meiner Heimatstadt in die Grossstadt Berlin zu ziehen. Die Eule sollte mir Gesellschaft leisten, so, wie sie ihn selbst während Jahren in der Ferne begleitet hatte.
In Berlin angekommen, fand der tönerne Vogel sein neues Plätzchen auf dem Sekretär meiner Grossmutter. Diesen hatte ich geerbt. Für die Eule war das Schreibmöbel vertrautes Terrain, hatte sie doch jahrelang den Schreibtisch meines Vaters bewacht. Besonders, als er im Internat am Bodensee fern der Heimat war.
Vom Wert der Klugheit
Heute verbringt die Eule ihr Dasein im Bündnerland. Noch immer sitzt sie auf dem Sekretär meiner Grossmutter. Diesen haben ich vor ein paar Jahren – nicht ohne Aufwand – über den Schweizer Zoll gebracht, und es hat sich gelohnt. Jeden Tag, wenn ich am Sekretär meiner Grossmutter sitze, mich mit allerlei Bürokram herumschlage oder auch bloss nachdenke, schaut die Eule mit ihren grossen Augen zu mir herunter, und ich denke an meine etwas eigenwillige, aber kluge Grossmutter.
Wie oft brachte sie in unserer Grossfamilie mit einfachen Sätzen Dinge auf den Punkt und machte vor, wie sich Wesentliches von Unwesentlichem unterschieden lässt. Sie puzzelte gern und löste schwierigste Sudoku-Rätsel. Die Eule erinnert mich an sie, an die Heimat und den Wert von Klugheit.