Nunui, so nannten wir unsere Oma, weil meine Schwester Grossmama nicht aussprechen konnte. Diese kreative Namenserfindung passte perfekt zu ihr. Denn in ihrer Wohnung hatte Nunui ein Bastelatelier eingerichtet. Sie war ausgebildete Modistin und hatte vor der Familiengründung einen Hutladen geführt. Später gab sie Bastelkurse.
Aus allem wusste sie etwas zu machen. Heute würde man es Do-it-yourself aus Recyclingmaterial oder Upcycling nennen. Gut erinnere ich mich an die goldenen Zigarettenpapiere, die sie als Buchzeichen benutzte und auch, um Figürchen und anderes zu falten. An den Tiefkühlkarton, auf dem wir zeichneten. Die elegante Tapete bei der Eckbank, die sie aus spannenden alten Zeitungsartikeln gefertigt hatte.
Die Vision vom Kulturcafé
Oft war ich bei Nunui und bastelte mit ihr. Sie starb, als ich zwölf war. Kurz vor ihrem Tod sagte sie: «Geh in mein Bastelatelier und nimm mit, was du willst.» Da ich ihren Tod verdrängte, holte ich nichts. Aber das Häuschen, dessen Fassade Nunui mit einem Druck aus einem Magazin tapeziert hatte, konnte ich zuletzt doch noch retten.
Oft frage ich mich, was aus mir geworden wäre, wenn sie länger gelebt hätte. Gern schwelge ich im Gedanken, dass ich ein Kulturcafé eröffnet hätte, in dem Nunui als elegante Dame ein Buch liest, meine Gäste unterhält und all den interessierten Do-it-yourself-Hipstern Basteltipps gibt.