Sie begannen Ihre Berufslaufbahn in den 90er-Jahren bei der Dresdner Bank. Jetzt sind Sie Leiter Globale Zusammenarbeit und Geschäftsleitungsmitglied bei Heks und haben unter anderem für eine Flüchtlingsorganisation selbst mehrere Jahre in Afghanistan und Sri Lanka gelebt und gearbeitet. Was bewegte Sie, diesen Weg einzuschlagen?
Bernhard Kerschbaum: Das kann man sich tatsächlich fragen bei einem gelernten Bankkaufmann, der danach Wirtschaftswissenschaften studierte … Es gab hauptsächlich zwei Auslöser. Den ersten, als ich 21-jährig alleine Indien und China bereiste und konfrontiert wurde mit krassen Gegensätzen zwischen tiefster Armut und grossem Reichtum. Den zweiten, als ich bei einem freiwilligen Einsatz in einem afghanischen Flüchtlingslager in Pakistan sah, wie die Menschen dort lebten. Dafür hatte ich von 1998 bis 2000 das Studium unterbrochen. Und es hat mich so stark beschäftigt, dass ich mich in der Armutsbekämpfung und für globale Gerechtigkeit einsetzen wollte.
Wie machten Sie das nach dem Studium?
Zuerst arbeitete ich eine Zeit lang bei einer Entwicklungsbank. Aber das stimmte doch nicht für mich, es kam mir vor wie ein goldener Käfig. Schliesslich wechselte ich zur Flüchtlings- und Nothilfe Organisation ZOA. Meine Frau und ich entschieden 2006, mit unseren damals ein- und dreijährigen Söhnen nach Afghanistan zu gehen. Das wurde eine nicht einfache, aber gute Zeit – vor allem, weil wir nahe bei den Menschen waren und sehen konnten, was unsere Arbeit Positives bewirkte.
Gut sieben Jahre lebten und arbeiteten Sie dann in Afghanistan und Sri Lanka. In welchem Moment hatten Sie am meisten Angst um Ihre eigene Sicherheit?
Gott sei Dank nicht so oft. In der Zeit in Afghanistan verschlechterte sich jedoch die Sicherheitslage stark, wir konnten nicht mehr zu allen Projekten ins Land hinausfahren. Strenge Sicherheitsprotokolle galten schon damals. Doch dann gab es in der Hauptstadt Kabul, wo wir wohnten, während eines Mittagessens mit meinem Chef eine gewalttätige Demonstration. Es kam zu Ausschreitungen, Schüsse fielen, und der Demonstrationszug kam in unsere Richtung. Wir versteckten uns, flüchteten aufs Dach, waren gegen sieben Stunden da festgesetzt, bis wir abgeholt werden konnten. Damals fürchtete ich um mein Leben.