Nothilfe in Krisengebieten wird immer gefährlicher

Sicherheit

Mitarbeitende von Hilfswerken sehen sich vermehrt gefährlichen Situationen ausgesetzt: Manche werden entführt, bei Angriffen verletzt oder getötet.

Der Einsatz war abgesichert – so weit möglich. Am 1. Februar fuhren sechs Mitarbeitende des Hilfswerks der Evangelisch-reformierten Kirche der Schweiz (Heks) in der Ukraine in zwei Autos los. Rund um die Stadt Beryslaw im Süden des Landes wollten sie abklären, in welchen Gebieten humanitäre Hilfe nötig sei.

Bewilligungen der zivilen und militärischen Verwaltung lagen vor. Schilder mit der Aufschrift «Heks» und «No Weapons» (keine Waffen) waren gut sichtbar an den weissen Fahrzeugen befestigt. «Alle trugen die Ausrüstung, die bei solchen Einsätzen vorgeschrieben sind: Schutzhelme, kugelsichere Westen, medizinische Kits», sagt Mediensprecher Lorenz Kummer. Und doch wurden die Fahrzeuge von Drohnen angegriffen, zwei Mitarbeitende starben, die anderen vier wurden verletzt.

Mehrtägiges Training

In der Geschichte des evangelischen Hilfswerks war dies laut Kummer das erste Mal, dass Mitarbeitende direkt bei der Arbeit mit Waffengewalt angegriffen wurden. Dabei ist der Organisation die Sicherheit wichtig. Allein in der Ukraine analysiert ein Team von sechs Leuten permanent die Lage.

Zudem bekämen alle Mitarbeitenden eine Einführung, jene in risikoreichen Ländern ein mehrtägiges professionelles Training, sagt Kummer. Themen sind etwa das Verhalten bei Gefährdung durch Schusswaffen, an Checkpoints und bei Geiselnahmen. Ausserdem geht es um  Stress- und Traumabewältigung.

Dass Helferinnen und Helfer im humanitären Einsatz gefährdet sind, liegt in der Natur der Sache: Sie bewegen sich an Orten und in Situationen mit hohen Risiken. Die Verletzung von Menschenrechten, Konflikte und Naturkatastrophen haben in den vergangenen Jahren stark zugenommen, wie dem jüngsten Bericht des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) zu entnehmen ist. Die Rede ist darin von einer «schwindelerregenden Zunahme von Notsituationen» und einer Verschlimmerung ungelöster Konflikte.

Angriffe auf Spitäler

Entsprechend verschlechtert sich die Sicherheit für die Mitarbeitenden von Hilfswerken. 2022 wurden gemäss der Datenbank zur Sicherheit von Hilfswerk-Mitarbeitenden weltweit 444 Menschen Opfer von Angriffen, 116 von ihnen getötet, die anderen verletzt oder entführt.

Deshalb publizierten im vergangenen August die Organisationen Handicap International, Ärzte der Welt und Aktion gegen den Hunger einen Bericht mit Forderungen zur Sicherheit. Die internationale Gebergemeinschaft müsse finanziell die Sicherheit des Personals von humanitären Organisationen stärker berücksichtigen, heisst es darin. Und die Staaten müssten gewährleisten, das Völkerrecht und weitere humanitäre Grundsätze einzuhalten.

Trotz allem werden wir uns weiterhin in diesen Ländern engagieren.
Lorenz Kummer, Mediensprecher Heks

Zu den Betroffenen gehören auch die Ärzte ohne Grenzen (MSF) mit Sitz in Genf. Truppen der USA zerstörten 2015 ein Spital in Afghanistan, wo MSF tätig war. 42 Menschen wurden getötet, 14 von ihnen waren Mitarbeitende der Organisation. In Syrien werden Spitäler regelmässig attackiert, im Jemen werden  häufig Rettungswagen beschossen. Das führte bei Ärzte ohne Grenzen zu Rückzügen aus Gebieten – und im Jahr 2016 zu einer Resolution des UNO-Sicherheitsrates.

Völkerrechtlich sind seither humanitäre Mitarbeitende und Einrichtungen besser geschützt – auf dem Papier. Auch Jahre nach Verabschiedung der Resolution würden die Angriffe auf medizinische Mitarbeitende und Einrichtungen fortgeführt, heisst es bei MSF.

NGOs fordern Einhaltung von Völkerrecht

Auch das Heks fordert die Einhaltung des Völkerrechts. «Wir beobachten mit Sorge, wie sich die Sicherheitslage verschlechtert», sagt Mediensprecher Kummer. In der Ukraine, wo neben der Demokratischen Republik Kongo derzeit das grösste Heks-Hilfsprogramm läuft, seien nach dem tödlichen Vorfall am 1. Februar die Projekte wieder aufgenommen worden, mit grösserem Sicherheitsabstand zur Front.

«Ziel ist es, einen guten Mittelweg zwischen Risikominimierung und Wirkungsmaximierung unserer Arbeit zu definieren», sagt Kummer. Das gelte für den Kongo wie auch für Israel/Palästina und weitere Regionen, wo das Heks tätig ist und die Risiken hoch sind. «Trotz allem werden wir uns weiterhin in diesen Ländern engagieren», hält Lorenz Kummer fest.

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