Der Dienst an Vertriebenen und Geflüchteten gehört seit seiner Gründung zum Hilfswerk der evangelischen Kirchen der Schweiz (Heks): Mit dem Ende des Zweiten Weltkriegs im Frühling 1945 lancierte der Evangelische Kirchenbund einen Spendenaufruf für die kriegsversehrte Bevölkerung in Europa. Nebst Geldspenden in der Höhe von zwei Millionen Franken kamen zudem 1400 Tonnen Naturalspenden wie Kleider, Schuhe, Seifen, Konserven und Kartoffeln zusammen. Um die Hilfe in Deutschland, Osteuropa und Frankreich mit den Schwesterkirchen besser zu koordinieren, gründete man am 1. Januar 1946 das Hilfswerk der reformierten Kirchen in der Schweiz.
Neben materieller Hilfe und der Gründung von Kinderheimen und Waisenhäusern bot das Heks Kindern aus Kriegsgebieten Ferienaufenthalte in der Schweiz an. Mit der Gründung der Casa Locarno entstand 1947 ein Haus der Erholung. In dieser Einrichtung im Tessin wurde möglich, was im Nachkriegseuropa keine Selbstverständlichkeit war: Begegnungen von Menschen verschiedener Religionen aus unterschiedlichen Ländern. «Neue, friedliche Eindrücke halfen ihnen, auch seelisch zu gesunden», schrieb Heinrich Hellstern, der erste Heks-Zentralsekretär. Ein anderes langjähriges Projekt war das Haus Pelikan in Weesen – ab 1949 betrieb das Heks für 40 Jahre dieses Altersheim für evangelische und orthodoxe Flüchtlinge aus Osteuropa.
Austausch und Versöhnung
Als Staaten in Afrika und Asien die Unabhängigkeit erlangten, begann das Heks, sein Engagement im Ausland auszuweiten. Den Start machte das erste Entwicklungsprojekt im Süden: eine Lehrwerkstätte für Werkzeugmacher in Indien. Auch wenn sich das Heks wegen Sparmassnahmen Ende 2020 nach 60 Jahren Präsenz aus Indien zurückgezogen hat, bleibt es in über 30 Ländern im Einsatz. Seine Arbeit umfasst humanitäre Hilfe, Friedensarbeit und Projekte gegen Armut und Diskriminierung.
Dabei ist die kirchliche Zusammenarbeit bis heute ein wichtiges Standbein geblieben. In Osteuropa, im Nahen Osten und in Italien engagiert sich das Heks für die diakonische Arbeit reformierter Kirchen. In Siebenbürgen etwa unterstützt es die ungarisch-reformierte Kirche beim Aufbau eines Spitexdienstes nach Schweizer Vorbild.
In der Schweiz verlagerte sich die Arbeit über die Jahre von der Flüchtlingsbetreuung hin zu Integrations-und Arbeitsprojekten für Migranten und sozial Benachteiligte. Mit der Kampagne «Farbe bekennen» rief das Heks 2016 zu mehr Solidarität mit Flüchtlingen auf. Sechs Regionalstellen betreuen über 60 Projekte in 13 Kantonen.
Fusion steht bevor
Das Archiv des Hilfswerks erzählt manch interessante Geschichte: etwa die 1979 vom Heks initiierte erste Landung eines Flugzeugs mit Hilfsgütern in Phnom Penh. Oder die öffentliche Kritik des Heks am südafrikanischen Apartheidsstaat, die von der Schweizer Öffentlichkeit nicht gern gehört wurde. 1986 kündigte das Heks einseitig seine Beziehungen zur Schweizerischen Bankgesellschaft, weil die Bank das UNO-Embargo gegen Südafrika unterlaufen hatte. Diese öffentliche Stellungnahme führte ebenfalls zu empörten Reaktionen.
Aus der Spendenaktion von 1945 ist eine Organisation mit mehr als 1200 Mitarbeitenden geworden, die sich mit einem Jahresbudget von 70 Millionen Franken für eine humanere und gerechtere Welt einsetzt. «Es ist eine grossartige Leistung, dass das Heks in einem Atemzug mit Werken genannt wird, die mit Ländersektionen strukturell weltweit verankert sind – wie beispielsweise Caritas», sagt Heinz Bichsel, Leiter der Fachstelle Oeme der Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn. «Das Heks musste schliesslich sein partnerschaftliches Netz von Grund auf knüpfen.» Eine gewichtige Veränderung steht der Stiftung nach dem Jubiläum bevor: Das Heks und die Stiftung Brot für alle fusionieren nächstes Jahr.