Recherche 01. Februar 2023, von Anouk Holthuizen, Felix Reich

Klimaklage gegen Zementriesen

Klimawandel

Nachdem ein Schlichtungsverfahren ergebnislos endete, versuchen vier Indonesierinnen und Indonesier Holcim per Klage zu Schadenersatzzahlungen und CO2-Reduktion zu zwingen.

Das Hilfswerk der evangelischen Kirchen Schweiz (Heks) unterstützt zusammen mit dem European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und der indonesischen Umweltorganisation WALHI die Klage von vier Indonesierinnen und Indonesiern gegen den Schweizer Zementhersteller Holcim.

Sie werfen dem Unternehmen vor, massgeblich für die Klimaveränderung verantwortlich zu sein, die das Überleben der 1500 Einwohnerinnen und Einwohner der Insel Pari gefährdet. Immer häufiger kommt es dort zu Überschwemmungen, in den letzten zehn Jahren ist die Fläche um elf Prozent geschrumpft. 

Geld für Schutzmassnahmen

Nachdem ein Schlichtungsverfahren ergebnislos geblieben ist, haben die vier Indonesier nun beim Kantonsgericht in Zug, wo Holcim ihren Hauptsitz hat, im Namen aller Bewohner Paris eine Klimaklage eingereicht. Sie verlangen Schadenersatz für Klimaschäden und einen Beitrag an die Schutzmassnahmen, die wegen des steigenden Wassers und der extrem gewordenen Wetterbedingungen ergriffen werden mussten.

Vor allem soll Holcim den CO2-Ausstoss senken. Gemäss einer Studie des Climate Accountability Institutes stiess Holcim im Jahr 2020 insgesamt 146 Millionen Tonnen CO2 aus, 2021 waren es 156,3 Millionen Tonnen.

Produktion frisst Nachhaltigkeit

Yvan Maillard, Themenbeauftragter für Klimagerechtigkeit bei Heks, kritisierte am 1. Februar an einem Mediengespräch, bei dem die Klägerinnen und Kläger zugeschaltet waren, die Nachhaltigkeitsstrategie des weltweit tätigen Zementriesen als ungenügend. «Holcim könnte mehr machen.»

Zwar würden Holcim Anstrengungen unternehmen, um den CO2-Anteil pro Tonne Zement zu reduzieren, doch zu wenig, um den absoluten Ausstoss zu verringern, sagte Maillard. Durch die höhere Produktionsmenge steige die Menge der Emissionen weiterhin. Die Klimaziele des Unternehmens seien nicht mit der 1.5 Grad-Limite vereinbar. 

Keine politische Frage

Die Klage nimmt die Zement- und Betonindustrie ins Visier, weil sie für 8 Prozent der jährlichen CO2-Emissionen verantwortlich ist – mit Holcim als grösster Verursacherin. Maillard sagte: «Es ist ungerecht, dass die auf Pari lebenden Menschen für die Schäden bezahlen müssen, die Holcim mit seinem Geschäftsmodell mitverursacht.» 

Nina Burri, beim Heks für den Bereich Unternehmen und Menschenrechte zuständig, betonte, dass die Klimaveränderung keine politische Frage sei. «Sie ist eine Realität, aus der sich juristische Fragen ergeben, auf die wir dringend Antworten brauchen.» Die Gerichte müssten entscheiden, wer für Klimaschäden, die elementare Rechte von Menschen tangierten, haftbar gemacht werden könne. «Der Klimawandel ist zwar ein komplexes Problem, aber rechtlich ist die Sachlage relativ einfach.» 

Kampagne und Rechtshilfe

Mit dem Verfahren gegen Holcim hofft das Heks auf einen Präzedenzfall. Die Einreichung der Klage aus Indonesien ist das erste ordentliche Zivilverfahren in der Schweiz gegen einen Konzern wegen seines Beitrags zum Klimawandel. 

Das Hilfswerk betont, dass die Rechtshilfe und die damit verbundene Kampagne für Klimagerechtigkeit ausschliesslich mit Spenden finanziert und dafür keine öffentlichen Gelder werden. 

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