Haus der Religionen wehrt sich gegen Zwangsheiraten

Haus der Religionen

In der Moschee wurden offenbar Zwangsheiraten durchgeführt. Der Verein Haus der Religionen und der muslimische Verein prüfen eine Strafanzeige.

Das Berner Haus der Religionen ist ein offener Ort. Bei den Eingängen zum Hindu-Tempel oder zur Moschee wird nicht kontrolliert, wer alles ein und aus geht – so, wie es auch in den Landeskirchen gelebt wird. Im Haus der Religionen muss man diese offene Haltung nun überdenken. Wie das Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) diese Woche publik machte, soll es in der Moschee mehrere Zwangsverheiratungen gegeben haben. Offenbar hat ein Imam verbotenerweise sechs religiöse Trauungen ohne vorherige zivile Heirat durchgeführt. Im Beitrag erzählt wird der Fall einer 18-jährigen Frau, die gegen ihren Willen mit einem Verwandten verheiratet wurde.

«Fassungslos»

In einer gemeinsamen Stellungnahme verurteilen sowohl der muslimische Verein Bern als auch der Verein Haus der Religionen diese Praxis. «Wir sind fassungslos und distanzieren uns klar von jeglicher Form von Zwangsverheiratungen», sagt Geschäftsführerin Karin Mykytjuk.

Doch wie konnte es überhaupt zu diesen Trauungen kommen? Mustafa Memeti, Leiter des Muslimischen Vereins und selber Imam, betont, man kenne die Person nicht, welche die Zwangsverheiratungen durchgeführt haben soll.

Erklärbar sind die Vorfälle für beide Vereine nur so, dass jemand die freie Zugänglichkeit der Moschee ausgenützt hat. Zudem ist auch nicht immer jemand vom Muslimischen Verein anwesend. Diese Praxis werde nun gründlich überdacht, sagt Geschäftsführerin Karin Mykytjuk gegenüber «reformiert». Ausserdem prüfen beide Vereine rechtliche Schritte gegen die missbräuchliche Nutzung der Räume und von Schriftstücken. Der unbekannte Imam soll einen alten Briefkopf des Muslimischen Vereins verwendet haben, um die Trauungen schriftlich zu bestätigen.

Wir diskutieren mögliche Massnahmen, damit dies nicht mehr geschehen kann.
Karin Mykytjuk, Geschäftsführerin

Die Geschäftsführerin des HDR betont, dass die Vorfälle gemeinsam mit dem Muslimischen Verein untersucht und aufgeklärt werden sollen. «Wir sind im Gespräch und diskutieren mögliche Massnahmen, damit dies nicht mehr geschehen kann.» Auch mit der Fachstelle Zwangsheirat sei man in Kontakt.

Eine Schlussfolgerung ist schon jetzt klar: Nicht nur privatrechtlich organisierte Religionsgemeinschaften, sondern die Gesellschaft ganz allgemein sei nicht genügend über das Primat der Zivilehe informiert, wird in der Medienmitteilung festgehalten. Wenn die Zivilehe nicht geschlossen sei, führe dies dazu, dass eine Ehe rechtlich nicht anerkannt ist.

Konsequentere Kontrollen

Dies ist noch nicht automatisch mit einer Zwangsehe gleichzusetzen. Auch der offizielle Imam der Moschee im Haus der Religionen muss diesbezüglich Kritik einstecken: Er habe in gewissen Fällen nicht sorgfältig geprüft, ob die Grundlage für eine religiöse Eheschliessung erfüllt gewesen sei, hält der Verein Haus der Religionen in der Medienmitteilung fest. Der Verein verurteilt diese Unterlassung, betont aber gleichzeitig, in keinem dieser Fälle sei ein Zwangskontext bekannt gewesen. Dennoch sei man sich einig, dass der Imam diese Kontrollen künftig konsequenter machen müsse.

Die Organisation

Das Berner Haus der Religionen wurde durch eine Stiftung finanziert und gebaut. Die Stiftung vermietet das HdR an den Verein Haus der Religionen – Dialog der Kulturen. Der Verein betreibt den öffentlich zugänglichen Dialogbereich ausserhalb der Religionsräume. Im Verein sind acht Religionsgemeinschaften vertreten, fünf davon mit eigenen Religionsräumen.

Der Verein vermietet die Religionsräume an fünf Religionsgemeinschaften, welche eigenständige Vereine sind und entsprechend Miete bezahlen. Die Religionsgemeinschaften betreiben ihre Räume in eigener Verantwortung und auf eigene Kosten. Sie entscheiden, was in ihren Räumen passiert und wann diese geöffnet sind. Sie sind auch selbst für ihre religiösen Rituale oder Feste verantwortlich. Die Finanzierung des HdR erfolgt über öffentliche und private Gelder. Diese Finanzierung, also auch der Leistungsvertrag mit der Stadt Bern, betrifft einzig den öffentlich-zugänglichen Dialogbereich und nicht die einzelnen Religionsräume.