In ihrem Altenzentrum wohnen zwölf Holocaust-Überlebende aus der Ukraine. Wie ist es dazu gekommen?
Das ging extrem schnell. Ende März gab es einen Aufruf der Jewish Claims Conference (JCC) und der Zentralen Wohlfahrtsstelle der Juden an Altersheime in Deutschland, sich zu melden, wenn Kapazitäten vorhanden sind. Unser Haus eröffnete 2020 kurz vor der Pandemie, wir waren noch nicht ausgelastet. Da haben wir nicht lange überlegt und uns gemeldet. Ich finde wir haben in Deutschland eine hohe Verantwortung gegenüber den Holocaust-Überlebenden und müssen unser Bestes tun. Und nur zwei, drei Tage später kamen die ersten jüdischen Gäste an, teils mit Angehörigen und gar einer Katze.
Wie wurden die Menschen zu Ihnen gebracht?
Die Jewish Claims Conference kannte die Holocaust-Überlebenden bereits, weil sie sich schon in der Ukraine vor Ort ambulant um sie gekümmert hat, ihnen etwa Pflegepersonal organisiert hat. Seit Kriegsbeginn evakuiert sie nun die Holocaust-Überlebenden auf verschiedene Länder. Erst wenn eine Unterbringung zugesichert ist, wird die Reise angetreten. Das ist sinnvoll, denn die Holocaust-Überlebenden sind in hohem Alter, oft gebrechlich. Da ist eine reibungslose Reise entscheidend. In der Regel werden sie in Krankenwagen transportiert, ukrainische Fahrer bringen sie an die Grenze zu Polen, dort holt sie das Deutsche Rote Kreuz ab. In Berlin kommen sie meist spät in der Nacht an.
Wie haben sich ihre ukrainischen Gäste hier eingelebt?
In der Regel sehr gut. Viele sind technologieaffiner als unsere deutschen Gäste. Sie fragen als erstes nach deutschen SIM-Karten und Wlan, um in Kontakt mit Freunden und Verwandten bleiben zu können. Sie schätzen auch die Gemeinschaft untereinander und unser Pflegepersonal. Wir haben fünf russischsprachige Pflegepersonen, das ist wirklich ein Glück. So ist immer jemand da, der sie versteht und weiterhelfen kann.