Recherche 01. Oktober 2019, von Vera Kluser

Ueli und Franz auf dem Idaplatz

Zwinglistadt

In unserer Gesellschaft dürfen nicht alle so sein, wie sie sind. Am Zwingli-Gsprööch im Kreis 3 diskutierten «schräge Vögel» und ihre Freunde über Ausgrenzung.

Mit farbigem Vogel auf der Schulter steht der «Schräge-Vogel-Zwingli» auf dem Idaplatz. Eigentlich hätte er nackt sein sollen. Nackt wie Franziskus von Assisi vor seinem Vater stand. Doch das war technisch nicht möglich. Als Symbol für die Nacktheit vor Gott und das Leben ohne Maske und Konventionen, trägt die hautfarbene Zwinglifigur nun ihr Gewand in der Hand. «Obwohl wir eine tolerante Gesellschaft sind, ist es nicht selbstverständlich, sich anders zu zeigen», so Meinrad Furrer, Beauftragter für Spiritualität Katholisch Stadt Zürich. Zusammen mit Ronald Jenny, Diakon der katholischen Pfarrei Herz Jesu, wollte er Zwingli mit Franziskus verbinden. Denn laut Jenny sei auch Franziskus ein Reformator, der stark wurde durch Gewaltlosigkeit und Liebe zur Schöpfung. 

Wie die Idee zum «Schräger-Vogel-Zwingli» entstand und was Zwingli und Franz von Assisi verbindet, erzählen Meinrad Furrer und Ronald Jenny im Gespräch: 

Über diese Andersartigkeit und den «schrägen Vogel» in jedem von uns diskutierten rund 20 Menschen am Zwingli-Gsprööch vom 27. September. Die Veranstaltung fand im Rahmen des Soultable statt. Jeden letzten Freitag im Monat trifft sich eine kleine Gruppe von spirituell interessierten Menschen im Johanneum der katholischen Pfarrei Herz Jesu Wiedikon.  

Wann schaue ich jemanden schräg an? Was nervt mich an anderen Menschen? Furrer und Jenny luden die Teilnehmenden ein, über Ausgrenzung im Alltag zu diskutieren. In welchen Situationen ertappen wir uns, dass wir die Nase rümpfen und unsere Toleranz verlieren? «Telefonieren im Tram, stinkende Menschen, Ernährungsapostel, Extremismus, Respektlosigkeit.» In der Diskussion wurde klar, dass Ausgrenzung da beginne, wo wir in unserer eigenen Bubble verharren. Schnell kämen wir in eine Bewertung und hören uns die Meinung von Andersdenkenden gar nicht mehr richtig an.  

Ein echter «Schräger Vogel»

Am Soultable sass auch Niggi. Er ist Mitglied der Theatergruppe «Schräge Vögel». Eine Gruppe von Menschen vom Rande der Gesellschaft, die ihren Humor nicht verloren haben und gemeinsam Theaterstücke aus dem wahren Leben schreiben. Niggi leitete einst ein Ingenieursbüro. Nach einem Burnout ging seine Ehe in die Brüche, er flüchtete von Zuhause und landete auf der Gasse. Gefasst hat er sich erst wieder, als er sich bei den «Schrägen Vögeln» akzeptieren lernte.  Für ihn sind «Schräge Vögel» Menschen, die mit ihrem Schicksal fertig werden und sich mit Humor so akzeptieren, wie sie sind.  

Zum Abschluss des Zwingli-Gsprööchs suchten die Teilnehmenden nach ihren eigenen schrägen Seiten. Der «Schräge-Vogel-Zwingli» steht noch bis zum 4. Oktober auf dem Idaplatz und spiegelt die Vielfalt und Offenheit des Kreis 3. 

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