Die deutsche Reformationsbotschafterin Margot Kässmann gerät ins Schwärmen, wenn sie vom Schweizer Auftritt an der Weltausstellung in Wittenberg spricht: «Ich war sehr glücklich über diesen wunderbaren Pavillon.»
Schlechte Presse. Am 10. September endete die Schau zur Reformation. Den Pavillon entworfen hatten die Basler Stararchitekten Christ & Gantenbein, von denen auch der Erweiterungsbau des Landesmuseums stammt. Für die Schweizer Reformierten arbeiteten sie gratis.
Im Oktober 2016 war in der Lutherstadt der erste Pavillon eröffnet worden. Trotz negativer Presse – «Luther ist die Pleite des Jahres» titelte im Juli die «Frankfurter Allgemeine Zeitung» – zeigen sich die deutschen Veranstalter zum Schluss zufrieden. Eine halbe Million Tickets seien verkauft worden. Dass damit die Ziele verfehlt wurden, schreibt Serge Fornerod, Leiter Aussenbeziehungen beim Kirchenbund, den allzu ambitionierten Ankündigungen im Vorfeld zu.
Zwingli-Bibel für Lutherstadt. Für den Kirchenbund zieht Fornerod eine durchwegs positive Bilanz: «Wir haben grosse Wertschätzung erfahren.» Für den Pavillon zuweilen gar Bewunderung. Rund zweihundert Besucherinnen und Besucher pro Tag hätten die «Prophezey» besichtigt. Herzstück des Pavillons war die Froschauer Druckerpresse, auf der eine Seite aus der Zürcher Bibel gedruckt werden konnte.
«Ich selbst habe mehrfach eine Seite gedruckt», sagt Kässmann. Zur Eröffnung am 20. Mai stellte sie sich mit der Schweizer Botschafterin in Deutschland, Christine Schraner, an die Druckerpresse. Die extra für die Weltausstellung nachgebaute Anlage sollte zeigen, wie der 1450 von Johannes Gutenberg erfundene Buchdruck die Kultur revolutioniert und die Reformation beflügelt hatte.
Wittenberg behält den Pavillon. Das frisch gedruckte Neue Testament der Zürcher Bibel wurde am 9. September der Stadt Wittenberg übergeben. Es ist nun im Lutherhaus zu sehen. Auch der Pavillon bleibt in Wittenberg. Eine Wohngenossenschaft will ihn für ein Schulprojekt nächstes Jahr neu aufbauen.
Die Druckerpresse reist an die Frankfurter Buchmesse. 2018 hat sie in Zürich im Programm zum Reformationsjubiläum ihren Auftritt. Zudem kann sie von Kirchgemeinden gemietet werden.
Im teuren Paradies. Ins Loblied auf den Pavillon stimmt auch der Zürcher Kirchenratspräsident Michel Müller ein. Die klare und schlichte Architektur habe Bestnoten verdient. «Nicht restlos überzeugend» fand Müller hingegen die inhaltliche Gewichtung. Auf der Veranda sei Niklaus Von Flüe «etwas verloren herumgestanden» neben den Silhouetten der Reformatoren Calvin, Luther und Zwingli. Der Nationalheilige war eine Referenz an die Katholiken, die Bischofskonferenz war am Konzept beteiligt.
Müller ist sich nicht sicher, wie viel Wissen über die Schweizer Reformation das Publikum tatsächlich mitgenommen hat. «Man musste sich schon sehr darin vertiefen, die Ausstellung war textlastig.» Dennoch spricht er von einer insgesamt gelungenen Präsentation. Der Auftritt sei typisch schweizerisch gewesen: «Sauber, gediegen, elegant und passenderweise im Paradiesgarten.» Und teuer: Die Schokolade kostete drei Euro.
Viel gewonnen. Einig sind sich Fornerod und Müller, dass die Zürcher Reformierten und der Kirchenbund durch die gemeinsame Arbeit für das Reformationsjubiläum zusammengerückt sind. «Beide haben von der ausgezeichneten Zusammenarbeit profitiert», sagt Müller. Von einem «Riesengewinn» spricht Fornerod.
Insgesamt setzte der Kirchenbund 500 000 Franken für seinen Auftritt in Wittenberg ein. Offensichtlich gut investiertes Geld. Das Ansehen der Schweizer Reformierten ist jedenfalls gewachsen. «Vielen Dank für diese Präsenz», lässt Kässmann per E-Mail ausrichten. Und setzt drei Ausrufezeichen.