Recherche 23. März 2019, von Sabine Schüpbach Ziegler

Auch Zwingli setzte auf die belehrende Wirkung des Bildes

Ausstellung

Im Grossmünster kann man wertvolle Originaldokumente der Reformation anschauen.

«Zwingli war kein Bilderfeind», betonte der Ausstellungsmacher und Historiker Markus Brühlmeier an der Vernissage vom 23. März im Grossmünster. Zwar sei Zwingli vehement dagegen gewesen, dass Bilder damals wie Götzen abgebetet wurden. Doch auf die belehrende Wirkung des Bildes habe auch er nicht verzichten wollen.

Knallbunte Holzschnitte

Die neue Dauerausstellung in den Turmnischen des Grossmünsters zeigt darum beides: Die radikale Neuausrichtung aufs Wort, den die Reformation vollzogen hat, und den Umgang mit Bildern, für die zumindest Zwingli noch eine Offenheit hatte.

So war die Froschauer-Bibel von 1531 mit colorierten Holzschnitten von biblischen Szenen, die in der Ausstellung zu sehen ist, noch reich bebildert. Zwingli und seine Gefährten hatten sie aus den Urtexten in ein allgemein verständliches Deutsch übersetzt, denn jeder sollte die Schrift selbst lesen können. Im Vorwort dieser ersten vollständigen deutschen Bibel rechtfertigt sich Zwingli: die Bilder würden helfen, sich den Inhalt der Texte zu merken.

Bilder aus Kirchen entfernt

Die Ausstellung gliedert sich in die Bereiche Bild und Wort. Der erstere zeigt, wie 1524 innert zwei Wochen alle Bilder aus den Zürcher Kirchen entfernt und grossmehrheitlich zerstört wurden. Dies könne man sich für die Menschen gar nicht einschneidend genug vorstellen, so Ausstellungsmacher Brühweiler. Schliesslich seien damals die Kirchen die einzigen Orte überhaupt gewesen, wo die breite Bevölkerung Bilder sehen konnten – so gab es im Grossmünster nebst religiösen Bildern auch eine Panoramaansicht von Zürich. Doch in derselben Zeit setzte Zwingli eben auch auf die erklärende Kraft des Wortes, etwa in Flugblättern und eben in der Froschauer-Bibel.

Eine Videoinstallation von Gabriela Gerber und Lukas Bardill greift dies spielerisch auf: Figuren aus den Holzschnitten der Froschauer-Bibel werden in stilisierter Form mit einem Videobeamer an die Gewölbedecke proijziert, wo sie gleichsam nach oben wandern und im Zentrum verschwinden.

Bibelsammlung hervorgeholt

Der aufs Wort fokussierte Teil der Ausstellung zeigt die Bibelsammlung des Grossmünsters, die bisher an verschiedenen Orten zerstreut und teils verstaubt gewesen seien, wie Pfarrer Martin Rüsch, Initiant der Ausstellung, es ausdrückte. Die Bücher sind in Glasvitrinen ausgestellt; Tablets bieten Informationen in elektronischer Form. Die Sammlung zeigt eindrücklich, wie sich das eine Buch – die Bibel – im Laufe der Jahrhunderte verändert hat, etwa durch unterschiedliche Übersetzungen. Erst im 17. Jahrhundert wurden die Bilder aus der Bibel entfernt. Einige reiche Zürcherinnen und Zürcher liessen sich jedoch teure Stiche einbinden.

Mit der Ausstellung, so Rüsch, hoffe die Kirchgemeinde Zürich den immer zahlreicher werdenden Besucherinnen und Besuchern des Grossmünsters das reformierte Profil und die Kerngedanken der Reformation zu vermitteln. Regierungsrätin Jaqueline Fehr bekannte in ihrer Rede, ein «Reformationsfan» zu sein. Sie erkenne immer mehr, wie bedeutend die von der Reformation angestossenen Entwicklungen für die Gesellschaft seien.

Buch zur Ausstellung

«Es war nüt me drin» stellte ein Besucher des Grossmünsters fest, der es nicht glauben konnte, dass 1524 in Zürich die Heiligenbilder aus den Kirchen entfernt worden waren. Die Reformation rückte das Wort Gottes ins Zentrum des Glaubens.

Das reich bebilderte und niederschwellig geschriebene Buch behandelt die Geschichte der Zürcher Bibel vom «Bildersturm» über die gewachsene Bedeutung des Wortes bis zu ihrer Übersetzung ins Deutsch aus den Urtexten im Chor des Grossmünsters. Der «reformierte» Umgang mit den Bildern kommt ebenso zu Sprache wie die Geschichte des Zürcher Bibeldrucks.

«Getruckt zu Zürich» – ein Buch verändert die Welt. Mit Beiträgen von Christine Christ von Wedel, Prof. Dr. Emidio Campi, PD DR. Jan-Andrea Bernhard, Markus Brühlmeier und Urs B. Leu.
Verlag Orell Füssli 2019, Hrsg. von Martin Rüsch und Urs B. Leu.

 

 

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