Recherche 17. November 2021, von Felix Reich

Kirche und Sozialwerk finden zusammen

Diakonie

Neben der Kirche Glaubten entsteht das «Pfarrer Sieber Huus». Die Zürcher Kirchgemeinde bietet drei auf die Stadt verteilten Angeboten des Sozialwerks Pfarrer Sieber ein Zuhause.

Da haben sich zwei gefunden. Endlich. Das Sozialwerk Pfarrer Sieber war schon viele Jahre auf der Suche nach einem neuen Zuhause für sein Fachspital Sune-Egge. Denn eigentlich lässt sich im Wohnhaus an der Konradstrasse, wo die Patientinnen und Patienten heute behandelt werden, kein Spital betreiben.

Eigentlich unmöglich

Zur Zeit der offenen Drogenszene auf dem Platzspitz hatte Ernst Sieber den Sune-Egge in einer Garage gegründet. Inzwischen ist daraus ein Fachspital für Suchtkranke geworden. Doch wenn eine Patientin im Rollstuhl Lift fährt, muss der Pfleger die Treppe nehmen. Ein Bettenlift fehlt sowieso. Betten müssen auseinandergeschraubt und wieder zusammengesetzt werden.

Die Suche endete in Zürich-Affoltern. Dort verfügt die Kirchgemeinde neben der Kirche Glaubten über eine Landreserve, auf der nun Räume für den Sune-Egge, die Notwohnungssiedlung Brothuuse und die Pflegestation Sunegarte gebaut werden. Auch die Geschäftsleitung und die Administration werden im Neubau untergebracht, den das Architekturbüro Schneider Studer Primas entworfen hat. Neben einer zeitgemässen Infrastruktur für sein Spital erhofft sich das Sozialwerk Pfarrer Sieber kürzere Wege und effizientere Arbeitsabläufe.

Ein Glücksfall

Mit dem Spatenstich haben am 31. Oktober die Bauarbeiten offiziell begonnen. Die Kirchgemeinde der Stadt Zürich rechnet mit Kosten von 38 Millionen Franken. Langfristig wird der Bau durch die Mieten des Sozialwerks finanziert. Kirchenpfleger Michael Hauser erklärt, der Bau sei Herzensangelegenheit und vernünftiges Geschäft zugleich. «Als Kirchgemeinde sind wir dankbar, dass wir dieses besondere Projekt verwirklichen und so dem Sozialwerk Pfarrer Sieber eine neue Heimat bieten können.»

Dass sich Werk und Kirche gefunden haben, hält Michel Müller, Kirchenratspräsident des Kantons Zürich, für einen Glücksfall, «gerade auch für die Kirche». Die vom 2018 verstorbenen Pfarrer Ernst Sieber gegründete Organisation verbinde Diakonie und Theologie «mit grosser Glaubwürdigkeit».

Im Geist des Gründers

Der christliche Glaube sei für Sieber «nicht einfach eine Geisteshaltung» gewesen, sondern ein Aufruf, das Leben notleidender Menschen zu verbessern, betont Fredy Jorns.

Der Stiftungsratspräsident des Sozialwerks Pfarrer Sieber ist froh, mit der Kirche eine Partnerin gefunden zu haben, «die versteht, was die grundlegende Motivation für das Handeln des Gründers war».

Ein offener Schutzraum

Für das Projekt wurde ein Architekturwettbewerb durchgeführt. Jurypräsident Mike Guyer hat - eine spezielle Beziehung zu Glaubten. Seine Eltern Esther und Rudolf Guyer hatten die Pläne für die 1972 eingeweihte Kirche entworfen.

Architektin Franziska Schneider liess sich jetzt von der Kirche inspirieren. «Mich fasziniert, wie man zuerst in den Hof und so zur Ruhe kommt, bevor man die Kirche betritt.» Einen Schutzraum zu schaffen, der Offenheit ausstrahlt, war eine zentrale Aufgabe bei der Planung des Gebäudes, das entlang der Wehntalerstrasse Raum für Gewerbenutzungen bietet. Und innerhalb der Mauern sollen die verschiedenen Bewohnerinnen und Bewohner Gemeinschaft leben und zugleich aneinander vorbeikommen. Die Jury lobte denn auch «die gute Balance zwischen Abgeschiedenheit und niederschwelliger Zugänglichkeit», die das Siegerprojekt auszeichnet.

Jetzt wird gebaut

Der Rohbau soll nach 14 Monaten fertiggestellt sein. Fast nochmals so lange wird es dauern, bis der neu eröffnete Sune-Egge die ersten Patientinnen und Patienten aufnehmen kann.