Eigentlich kannte ich Danuta Grabik nur flüchtig. Ich wusste, dass sie Kunstmalerin war, in Solothurn lebte, in Polen zur Welt gekommen war und jüdischen Hintergrund hatte. Sie pflegte einen Malstil, der sich am treffendsten als naiver Surrealismus umreissen lässt, verspielt, fantasievoll und oft überhaucht von einer nostalgischen Stimmung. Wir begegneten uns zwischen 1993 und 1995 hin und wieder im Burgdorfer Cabavari-Theater, das sie als Mäzenin finanziell unterstützte.
Sie hatte ins Kellertheater den Flügel schaffen lassen, der einst ihrem damals bereits verstorbenen Freund gehört hatte. Manchmal malte sie tagsüber dort, wenn das Lokal frei war, und ich hatte vom Theaterleiter die Erlaubnis, auf dem Instrument zu spielen. Bei diesen Gelegenheiten liefen Danuta und ich uns ab und zu über den Weg. Ich spielte ein bisschen, sie malte, dann ging ich wieder, ohne viele Worte mit ihr gewechselt zu haben. Das war ganz in ihrem Sinn, sie war von introvertiertem Naturell und selten zum Plaudern aufgelegt.
Noten und Luftballons
Fünfzehn Jahre später, als es das Theater längst nicht mehr gab und wir uns aus den Augen verloren hatten, begannen wir einen gelegentlichen, von längeren Pausen unterbrochenen Briefwechsel. Gesehen habe ich sie in dieser Zeit nicht mehr. Sie verstarb 2015 im Alter von 67 Jahren an einem Krebsleiden. Sehr zu meiner Überraschung hatte sie mir testamentarisch eines ihrer Werke vermacht, übertitelt mit «Minutenwalzer».
Das mit Acryl auf Leinwand gemalte Bild zeigt das Notenblatt des berühmten Minutenwalzers von Frédéric Chopin und einen schwarzen, glänzenden Konzertflügel, der zum Fliegen abhebt, dabei das Notenblatt durchstösst und, begleitet von bunten Luftballons, die Weiten eines blauen Himmels erobert. Dieses Gemälde ist mir liebe Erinnerung an musikalisch-malerische Begegnungen, die sich damals in aller Flüchtigkeit ereignet hatten – und auf dem Bild eine bleibende Form gefunden haben.