Winterkahl der Wald
auf dem Boden welkes Laub
ganz von Raureif
überzogen, drauf herab
fällt des Mondes kalter Glanz
Fujiwara no Kiyosuke (1104 – 1177)
Das Tanka ist eine fünfzeilige Form der traditionellen japanischen Dichtkunst. Es ist älter als das bekanntere dreizeilige Haiku, das aus dem Tanka hervorgegangen ist. Ein Tanka-Gedicht beginnt mit einer fünfsilbigen Zeile; es folgt eine siebensilbige, dann wieder eine fünfsilbige Zeile. Die beiden Schlusszeilen sind je siebensilbig.
Diese Gedichte wollen keine Geschichten erzählen, sie feiern vielmehr die Schönheit, Würde und Vergänglichkeit des Augenblicks. Meist sind es Motive aus der Natur, die in der Tanka-Dichtung poetisch reflektiert werden. Nicht kryptisch und verschlüsselt wie oft in der westlichen Lyrik, sondern nüchtern, in einer Art erhabener Banalität. Der Eindruck des quasi Banalen entsteht jedoch nur in den Übersetzungen, denn in den westlichen Sprachen lässt sich die Vielschichtigkeit der Bedeutungen, die den japanischen Schriftzeichen innewohnt, kaum wiedergeben.
Fujiwara no Kiyosuke (1104 – 1177) war Beamter im japanischen Kaiserreich, Dichter und Mitherausgeber der berühmten kaiserlichen Anthologie.