Verheiratet und dennoch Single

Hochzeit

Ihre Berufung fühlte sich für Schwester Veronika an wie ein Heiratsantrag. Mit 28 sagte sie Ja zu Gott.

Das Foto zeigt eine schöne, junge Frau in einem Hochzeitskleid. Das Kleid ist weiss, bodenlang und schulterfrei. Die Frau trägt ihre dunklen Haare hochgesteckt, geschmückt mit Perlen, und an ihrem Dutt ist ein Schleier befestigt.

Am 5. Mai 2002 schritt Veronika Ebnöther in der Kathedrale von Chur vor den Traualtar, aber es war dabei kein Mann an ihrer Seite. Sie wurde mit 28 Jahren zu Schwester Veronika, einer vom Bischof «geweihten Jungfrau».

Sie ist freischaffende Nonne

23 Jahre sind seit ihrem Hochzeitstag vergangen. Schwester Veronika öffnet die Tür zu ihrem kleinen Reich in der Zürcher Altstadt: In dem Raum sind auf einem Holztisch Schälchen mit Farbpigmenten aus gemahlenen Steinen aufgereiht. Diese Farben setzt Schwester Veronika auch in ihren Gesprächsstunden und Workshops ein.

Ich war häufig verliebt. So häufig, dass ich sogar ein Büchlein führte, in dem ich meine Angebeteten auflistete.
Schwester Veronika

Die 51-Jährige gehört keinem Orden an und muss ihren Lebensunterhalt selber verdienen. Sie nennt sich «Freelance-Schwester», ist freischaffende katholische Nonne. Sie hat unter anderem in Bolivien zwei Pfarreien aufgebaut, unterrichtet, in der Schweiz als Pfarreihelferin gearbeitet, Ziegen gehütet, geputzt, und sie war Gefängnisseelsorgerin.

Als Nonne ist sie nur durch ihren Schleier erkennbar. Statt eines Habits trägt sie Jeans, Pulli und Turnschuhe und erinnert in ihrem Outfit an eine hippe Künstlerin.

Wie ein Heiratsantrag

Der Glaube war für Veronika Ebnöther eine wichtige Stütze, seit sie denken kann. Dass sie aber einmal eine «Braut Christi» werden würde, hätte sie in ihren Teenagerjahren nicht gedacht. Sie wollte Kunstgeschichte studieren, heiraten, Kinder bekommen. «Ich war auch häufig verliebt. So häufig, dass ich sogar ein Büchlein führte, in dem ich meine Angebeteten auflistete.»

Als sie 20 Jahre alt war, passierte aber etwas, von dem Schwester Veronika sagt, es sei «ziemlich schwierig in Worte zu fassen»: Bei einem Kirchenbesuch betete sie vor dem Tabernakel. «Auf einmal spürte ich ganz stark die Präsenz von Jesus. Er lud mich ein, mein Leben mit ihm zu teilen und mich ganz ihm zu widmen. Das war meine Berufung.» So müsse sich ein Heiratsantrag anfühlen, dachte Veronika.

Manche Menschen unterstützten mich, andere wandten sich von mir ab.
Schwester Veronika

Diesen Antrag prüfte die junge Frau gründlich. «Es war ja eine Entscheidung, die mein Leben prägen würde.» Ihre Familie und ihr Freundeskreis reagierten schliesslich unterschiedlich auf ihr Jawort zu einem Leben mit Gott. «Manche Menschen unterstützten mich, andere wandten sich von mir ab.»

Manchmal fehlt einfach eine Umarmung 

Nach all den Jahren im Zölibat gibt es noch immer Momente, in denen Veronika einen Menschen aus Fleisch und Blut an ihrer Seite vermisst. Gott sei zwar immer präsent und sie fühle sich von ihm getragen, aber den Alltag müsse sie letztlich allein meistern: Entscheidungen treffen, einkaufen, am Esstisch sitzen. «Manchmal fehlt mir einfach eine Umarmung», sagt Veronika. Sie sei verheiratet und doch single. «Ich würde Jesus nicht als meinen Mann bezeichen, eher als meinen ständigen Begleiter.»

Wie jede andere Beziehung sei auch diese nicht frei von Zweifeln. Trotzdem: Sich von ihm zu trennen, käme für Schwester Veronika nicht infrage. «Ich bin fürs Leben mit Gott vereint. Ich habe mich ihm geschenkt. Das kann ich nicht zurücknehmen.»