Recherche 07. Mai 2019, von Marius Schären

Kirchliche Trauung auch ohne Kirche

Kasualien

Für Hochzeiten hat sich zwischen Kirche und freien Ritualen in Bern eine Gruppe von vier Frauen positioniert. Die Landeskirche ist am Konzept interessiert.

Der Auftritt im Web ist modern und leicht, optisch und sprachlich sehr sorgfältig gemacht. Und das Angebot lässt aufhorchen: «Trauungen mit Tiefgang» bieten vier Frauen aus dem Kanton Bern als «Feier & Flamme» an. Sie seien «liberal aus Überzeugung», nahe am Leben und theologisch fundiert, schreiben die Theologinnen und teils angehenden reformierten Pfarrerinnen.

Sind das nun kirchliche Trauungen oder nicht? «Uns interessieren die Geschichten der Paare, wir wollen ihnen aber auch eine theologisch fundierte Trauung bieten», sagt Susanne Kühni. Die vier Theologinnen hätten während des Studiums ihr Interesse an kirchlichen Ritualen entdeckt und bereits vor dem Zusammenschluss Trauungen und Kindersegnungen durchgeführt. «Feier & Flamme gründeten wir im Januar 2018, seit dem vergangenen Sommer haben wir uns mit dem Verein «Feierwerk» eine rechtliche Form gegeben», erzählt Kühni.

Offen für Ehe für alle

Anfragen nehmen die zwischen 25 und 36 Jahre alten Frauen als Kollektiv entgegen. Wer Kapazität hat – drei der Theologinnen haben Kinder –, übernimmt, führt Gespräche mit dem heiratswilligen Paar, schreibt die Liturgie und führt die Feier durch. «Fast immer schaut eine zweite Person von uns über die Texte und gibt eine Rückmeldung», sagt Susanne Kühni. Zudem tauschten sich die Frauen oft vor- und nachher in einem Chat aus.

Mit dem Geschäftsverlauf seien sie «mehr als zufrieden», gibt Kühni zur Auskunft. Fürs laufende Jahr hätten sie bereits Anfragen wegen fehlender Kapazitäten ablehnen müssen. Getraut haben die Frauen von «Feier & Flamme» Paare in Kirchen, an einem See, auf einem Campingplatz und bald in einem Blumenladen. «Auf unsere erste LGBT-Trauung warten wir allerdings noch, die würden wir sehr gerne durchführen», sagt Susanne Kühni.

Paargeschichte und Haltung

Dass sie auch Lesbische, Schwule, Bisexuelle und Transgender-Menschen (LGBT) trauen wollen, unterstreicht die «liberale Theologie», die sich das Quartett selbst auf die Fahne schreibt. Es würden sich ganz unterschiedliche Personen an sie wenden, sagt Kühni: «Die einen wünschen sich eine ganz freie Trauung, andere möchten explizit eine christliche Feier.» Viele hätten in ihrem Leben keinen Bezug mehr zur Kirche – auch als Kirchenmitglieder –, so dass sie sich auch eine kirchliche Trauung nicht vorstellen könnten.

Sie stellten zwar die Paare und ihre Geschichte ins Zentrum, und zwar mit den schönen und schwierigen Aspekten, beschreibt Susanne Kühni das Wichtigste ihrer Arbeit. Aber: «Unsere Haltung fliesst immer in unsere Feiern ein – ganz egal, wie frei das Brautpaar getraut werden will.» Sie würden beispielsweise davon abraten, die Braut von ihrem Vater führen zu lassen: «Uns stört die patriarchale Symbolik.» Und egal wie sehr ein Paar dem Glauben verbunden ist oder nicht: Eine Segnung führten die Theologinnen immer durch.

Kirche kann davon lernen

Bei der Kirche stösst das Angebot der vier Frauen auf grosses Interesse. Matthais Zeindler, Leiter Bereich Theologie der reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn (Refbejuso), kennt sie und findet: «Besonders vom übergemeindlichen Ansatz und von der Online-Präsenz können wir lernen.» Und Feier & Flamme nehme ernst, dass auch junge Leute, die kirchlich heiraten möchten, sich oft nicht mehr bei der Kirchgemeinde vor Ort orientierten, sondern online.

Der Landeskirche sei klar, dass die Erwartungen von Menschen an Feiern rund um biographische Übergänge vielfältiger geworden seien, sagt Zeindler. Da sie nahe bei den Menschen sein möchte, wolle sie sich auf diese Situation einstellen und sie als Möglichkeit ernst nehmen, das Evangelium zu kommunizieren. Konkret ist dazu in den kommenden Wochen ein «Runder Tisch Kasualien» geplant. «Wir möchten mit Interessierten eine Auslegeordnung der Herausforderungen und Lösungsansätze machen», beschreibt Zeindler den Inhalt. Mit dabei sind Pfarrpersonen, die sich schon länger mit dem Thema beschäftigen – und die vier Frauen von «Feier & Flamme».

Abgrenzung zu freien Ritualen

Im Gegensatz zum Angebot der vier Theologinnen sieht der Leiter des Bereich Theologie andere freie Ritualbegleiterinnen und -begleitern durchaus als Konkurrenz zur Kirche. Diese gälten aber nicht als kirchliche Handlungen und würden auch nicht in den kirchlichen Registern eingetragen. «Die Kirchenleitung empfiehlt den Kirchgemeinden auch, kirchliche Räumlichkeiten nicht für solche Angebote zur Verfügung zu stellen», stellt Zeindler klar.

Grund für diese eindeutige Abgrenzung sei einerseits, dass es den Leuten möglich sein soll, zwischen den Angeboten zu unterscheiden. «Andrerseits ist für sie die Qualität ihrer gottesdienstlichen Handlungen entscheidend. Die Kirchen sind überzeugt, dass sie eine tragfähige Tradition, eine grosse Erfahrung und gut ausgebildetes Personal haben», sagt Matthias Zeindler. Menschen in schwierigen Lebenssituationen hätten so die Gewähr, die bestmögliche Begleitung zu erhalten.