Die «Weltwoche» in mir

Schlusspunkt

Die Kirche als blutleere Institution zu kritisieren, die sich vom Erbe des revolutionären Jesus entfernt hat, ist schick gewoden. Gefährlich ist es trotzdem.

Fehlendes Feuer. In Deutschland «verreckt die Kirche» an ihrer Sprache. Kommunikationsberater Erik Flügge landete mit diesem Befund einen Bestseller. Nun verkündet der Schweizer Pfarrer und Hitzfeld-Biograf Josef Hochstrasser, die Kirche könne sich «das Leben nehmen». Er will Kirche und Staat trennen, von einer armen Kirche erhofft er sich «mehr Feuer» und mehr Jesus. Natürlich kritisiert auch er die abgehobene, theologische Sprache, die längst kein Mensch mehr verstehe. Pauschalkritik an der Theologie gehört inzwischen zum guten Ton. Und sie weckt den «Weltwoche»-Reflex in mir: Ich behaupte das Gegenteil.

Schicke Kritik. Institutionskritik ist schick geworden. Und verkrustete Strukturen anzuprangern, kostet nichts. Dem «blutleeren Christus» der Kirche wird in der Vision einer vitalen Laienkirche Jesus als «Kämpfer für Gerechtigkeit und Frieden» gegenübergestellt. Spätestens hier frage ich mich, ob ein wenig institutionell geschützte Theologie nicht doch ganz hilfreich wäre. Um biblische Texte zu verstehen, braucht es auch das Wissen um den Kontext, in dem sie entstanden sind. Akademisches Wissen. Ziemlich uncool, aber wichtig. Kommt hinzu, dass Gleichnisse zuweilen eben gerade nicht von dieser Welt handeln und Jesus unsere Vorstellungen von Gerechtigkeit zuverlässig auf die Probe stellt.

Sorge tragen. Dass die Kirchenkritiker Menschen neu für Jesus begeistern wollen, freut mich. Dennoch fühlte ich mich in ihrer Kirche, die Bewegung statt Institution sein will, wohl fremd. Mein Glaube lässt sich nicht auf Erfahrung reduzieren, auf knackige Thesen schon gar nicht. Glaube ist auch Auseinandersetzung, Reflexion. Ringen um Sprache und Konfrontation mit einem Gott, der sich meinen Denkkategorien entzieht. Dabei bin ich angewiesen auf Theologinnen und Seelsorger, die mich nicht von oben herab belehren, mich aber lehren. Nicht allein aufgrund ihrer Erfahrung, sondern mit intellektueller Distanz zur Erfahrung, geschult durch die Institution. Wer Institutionen pauschal schlechtredet, richtet Schaden an. In der Politik genauso wie in der Kirche.

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