Was vom Verzweifeln abhält

Schlusspunkt

Weil ihr die Selbstverständlichkeit abhandengekommen ist, fragt sich die Kirche, was sie ausmacht. Dabei sollte sie nicht vergessen, einfach getrost Kirche zu sein.

Er sagte: «Gute Frage.» Und begann davon zu erzählen, was sein Engagement als Christ für die Klimabewegung von den säkularen Aktionen unterscheidet. Die Antwort war ein reflektiertes Glaubenszeugnis.  

Trotzdem merkte ich, während ich zuhörte, dass meine Frage gar nicht gut war. Sie war doof. Ich stelle sie zu häufig. Und mir wird sie viel zu oft gestellt: Was macht die Kirche anders als andere Institutionen?

Die selbst kasteiende Vermutung

Aus meiner Frage spricht Verunsicherung. Der Kirche ist die Selbstverständlichkeit abhandengekommen. Also fragt sie sich, was sie zusammenhält, in welcher sozialen Nische es sie noch braucht.

Wahrscheinlich muss ich mir zuweilen diese unbequeme Frage stellen, aber sie ermüdet mich: Was unterscheidet die Kirche in ihrem diakonischen Handeln und politischen Engagement von staatlichen Stellen, Parteien, ökologischen Bewegungen, Hilfswerken, Flüchtlingsorganisationen?

Meistens steckt darin die selbst kasteiende Vermutung, dass es die anderen besser können, und das mündet im Appell, die Kirche solle sich auf ihr Kerngeschäft konzentrieren oder sich gleich neu erfinden. Muss sich die Kirche also aus dem gesellschaftlichen Diskurs verabschieden und sich vermehrt mit sich selbst beschäftigen?

Und er fühlte Mitleid

Unbestritten zum Kern der Kirche gehört das Evangelium. Dort lese ich nichts von Rückzug. Vielmehr vom Auftrag, Fremde aufzunehmen und Hungrige zu sättigen (Mt 25,35). 

Der Priester und der Tempeldiener, die am von Räubern verprügelten Reisenden vorübergehen, hätten bestimmt klug darüber dozieren können, was den Glauben ausmacht. Doch Jesus sagt, dass der Samariter das religiöse Gesetz eingehalten habe. Denn er sah den Mitmenschen «und fühlte Mitleid» (Lk 10,33). 

Aus Erzählungen wie diesen lerne ich, dass ich vor lauter Fragen nach dem, was das Christsein ausmacht, nicht vergessen darf, Christ zu sein. Das bedeutet doch, im Vertrauen auf Gott zu hoffen, dass sich die Welt zum Guten verändern lässt, eine gute Tat kein Tropfen ist auf den heissen Stein, sondern ein Tropfen ins Meer der Nächstenliebe.

Erzählen und zuhören

Jeder Tropfen hilft. Egal, ob er aus muslimischen oder jüdischen, patchworkreligiösen oder wissenschaftsgläubigen Wolken fällt. Von dem, was mich trägt, erzähle ich gern, von den biblischen Texten, die mich berühren. 

Ich bin neugierig zu hören, was andere vom Verzweifeln abhält. Die Natur, Meditation, Lyrik, Musik? Vielleicht sind es ja nur andere Worte für die Hoffnung, die uns verbindet. 

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