Alte Dinge und ihr spannendes Vorleben

Schlusspunkt

Geht es beim Einkauf in der Brockenstube um Nachhaltigkeit, Schnäppchen oder doch etwas anderes? Redaktorin Cornelia Krause hat jüngst ihre Antwort auf die Frage gefunden.   

«Liebe Cornelia», steht auf der Kunstpostkarte, die nun mir gehört, obwohl sie gar nicht an  mich gerichtet ist. Martha aus Essen bedankt sich für herrliche Ausflüge und gute Gespräche, hofft auf ein baldiges Wiedersehen.  Die Karte sei ihr zufällig in die Hände gefallen. Sie habe sie «einfach schicken müssen». Auf der Vorderseite prangt das Porträt eines  lesenden Mädchens.

Die Karte ist quasi Beiwerk. Sie fiel aus einem Buch heraus, das ich  in einem Bücher-Brocki erwarb. Ein Spontankauf infolge eines Spontanbesuchs. Denn meine Brocki-Phasen, in denen ich stundenlang Regale ablaufen und auf der Suche nach Trouvaillen durchschauen konnte, sind eigentlich familienbedingt vorbei.

Geblieben sind Reliquien aus Zeiten, in denen Zeit keine Mangelware war: die rote Vase aus Muranoglas, in die ich am liebsten  Tulpen stelle. Oder der Steingutkrug, den ich in einer Elsässer  Brockenstube kaufte, mit der Werbung für einen französischen  Nudelhersteller. Geblieben ist auch die Frage, was mich an gebrauchten Dingen so fasziniert. Die Rarität? Unerwartet etwas zu finden, das gar nicht benötigt wird, aber glücklich macht? Geht es um Nachhaltigkeit? Oder um ein günstiges Schnäppchen?

Fremde Welten aus der Kindheit

Mein jüngster Spontanbesuch bescherte mir die Antwort. Ich betrat das riesige Bücher-Brocki – und wähnte mich sofort im Paradies. Die Buchrücken erinnerten mich  an Regalreihen im Elternhaus. Einige Kinderbücher hatten mich selbst schon in genau diesen Ausgaben in fremde Welten entführt. Bald darauf musste ich den Laden schon wieder verlassen, mit hastig zusammengesuchtem Lesestoff für den Nachwuchs. Doch kurz vor der Kasse fiel mein Blick auf eine Papiertüte am Boden. Unsortierte Neuzugänge. Gleich drei Romane sprachen mich an, alle  waren auf der ersten Seite mit Bleistift gekennzeichnet: «von Luise, Geburtstag 21», «von Marion, Ostern 23», «von Martha, Weihn. 22».

Ich entschied mich für den Roman «Susanna» von Alex Capus.  Als ich daheim das Buch aufschlug, fiel mir die Postkarte entgegen. Ob die Bücher im Brocki landeten, weil meine Namensvetterin starb? Oder weil sie Platz für Neues brauchte? Ich hoffe auf Letzteres. Und mir wird klar: Es ist vor allem das Vorleben der Dinge,  das mich beschäftigt. Das Kopfkino, das sie auslösen. Die Muranoglas-Vase kaufte einst ein junges  Paar auf Hochzeitsreise in Venedig. Bestimmt war es so. Ich stelle mir vor, dass sie lange  glücklich waren. 

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