Meinung 13. Juli 2023, von Felix Reich

Fussball, Kirche und Nostalgie

Schlusspunkt

Die Konfession und der Verein des Herzens sind Konstanten im Leben. Wer reformiert ist und GC-Fan, neigt zur Nostalgie. Aber von alten Zeiten schwärmen, darf man nur im Fussball.

Ein paar Dinge im Leben ändern sich nie. Die Konfession und der Fussballclub des Herzens etwa. Zurzeit haben sie vieles gemeinsam, die reformierte Kirche und der Grasshopper Club Zürich. Beide haben schon erfolgreichere Zeiten gesehen, beide blicken nach China. Zum Glück beginnen hier die Unterschiede. Während ich als GC-Fan zuschauen muss, wie ein chinesisches Finanzkonstrukt den Traditionsclub fernsteuert und vielleicht aushöhlt, beobachte ich als Reformierter hoffnungsvoll, wie in China evangelische Gemeinden wachsen und der Repression trotzen.

Der eiserne Charly

GC-Fans und Zürcher Reformierte neigen zur Nostalgie. Sie trauern vollen Stadien und erkämpften Meistertiteln, gut besuchten Sonntagsgottesdiensten und grossen Konfirmationsklassen nach.

Während ich mich im Fussball nur zu gern in Erinnerungen suhle, von der Spieleröffnung von Mats Gren und den Grätschen von Charly In-Albon, der Leidenschaft von Ricardo Cabanas und der herrlich liederlichen Genialität von Richard Nunez schwärme, verbiete ich mir die Klage über das sinkende Kirchenschiff.

Das Salz der Erde

Meine Kirche ist keine Arche, die im Meer der Säkularisierung schwimmt und herbeisehnt, dass ein Ölzweig das Comeback des Religiösen verheisst.

Ein anderes biblisches Bild ist mir näher, es ermutigt, fordert mich heraus: «Ihr seid das Salz der Erde» (Mt 5,13). Als GC-Fan darf ich auf die Rückkehr des Rekordmeisters zu alter Grösse hoffen. Meiner Kirche hingegen soll es um viel mehr gehen als die eigene Bedeutsamkeit: um ihr Wirken in der Welt. 

Die Mission der Kirche

Anders als im Fussball trete ich im Glauben nicht gegen andere Teams an. Missionieren will ich nicht, denn niemand mag sich vorschreiben lassen, was er glauben, wie er leben soll. Eine Mission jedoch braucht die Kirche zwingend. Und ich erlebe überraschend oft, wie mir Leute, die mit der Religion nichts am Hut haben, interessiert zuhören, wenn ich zu beschreiben versuche, was ich darunter verstehe: Gerechtigkeit und Frieden in diese Welt zu bringen, im Vertrauen auf jenen menschgewordenen Gott, von dem das Evangelium erzählt und dessen geheimnisvolle Kraft ich immer wieder zu erfahren glaube.

In Gesprächen mit Menschen, die anders oder gar nicht glauben, wollen wir einander verstehen statt überzeugen. Wir spielen uns Steilpässe zu, weil wir für die gleichen Werte brennen und voneinander wissen wollen, aus welchen Quellen wir Hoffnung schöpfen, wenn wir scheitern und zu verzweifeln drohen.

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