Meinung 09. März 2017, von Felix Reich

Auf Münchner Umwegen in die Passionszeit

Schlusspunkt

Auf Umwegen kommen zwei Menschen ins Gespräch über ihren Glauben. Und dann redet sich plötzlich einer in Rage.

Glaube. Wir waren in München unterwegs zum Bahnhof. Wir hatten Zeit für Umwege und spazierten durch einen Park, als wir auf Umwegen auf den Glauben zu sprechen kamen. Auf den Glauben zu sprechen komme ich eigentlich immer auf Umwegen. Geradeaus kann ich nicht davon erzäh­len. Er sagte, dass ihm Jesus wichtig sei. Er frage sich oft im Leben, was jetzt Jesus getan hätte. Auch die Gleichnisse seien faszinierend. Aber die Trinität, dass Jesus Gottes Sohn und zugleich mit ihm eins sein soll, das wolle ihm nicht in den Kopf, das sei doch ein Konstrukt, um eine Bewe­gung in eine Religion zu gefrieren. Jesus sei für ihn einfach ein besonderer Mensch, vielleicht mit besonderer Nähe zu Gott. Das sei doch schon viel. Stimmt, dachte ich, das ist schon recht viel. Und redete mich den­noch in Rage.

Eifer. Ohne Christusglaube könne man doch nicht Christ sein, sagte ich ein bisschen zu laut und wusste gleich, dass das ein dummer Satz war. Ich kann und will niemandem sein Christsein absprechen. Aber plötzlich ging es um alles oder nichts. Also sprach ich weiter vom Kind in der Krip­pe, der Erkenntnis der Soldaten unter dem Kreuz: «Ja, der war wirklich Gottes Sohn!» (Mt 27,54). Dass Gott als bedürftiges Kind in die Welt gekommen sei, den Tod am Kreuz, ja selbst die Gottverlassenheit erlitten habe, sei doch das Un­glaub­liche, Unerhörte am Christentum, sein Kern, der alle Hierarchien sprengt. Daraus speise sich die Hoffnung, dass uns Gott nie verlässt.

Hoffnung. So hörte ich mich sprechen und wusste nicht, ob er mich ver­stand. Der Umweg war zu Ende, wir verabschiedeten uns im Bahnhofs­gewusel. Im Zug fragte ich mich, ob mir in existenzieller Not mein Glau­be, zu dem ich mich so eifrig bekannt hatte, Halt geben würde. Oder verkommen mir dann Passion und Osterhoffnung zum frommen Geschwätz? Ich bete für das Gegenteil. Gewiss ist, dass mich mein Glaube nicht los lässt und ich immer wieder um Worte ringend zurückfinde zu ihm, mich darin geborgen fühle. Das Evangelium irritiert und inspiriert – auch Menschen, die anders glauben als ich. Mit ihnen auf Umwegen ins Gespräch zu kommen, ist ein Glück.

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