Konsequent hinschauen

Schlusspunkt

Die Ermordung der 12-jährigen Luise macht sprachlos. Dennoch gibt es keine einfach Lösung gegen Gewalt unter Kindern. Erwachsene müssen sich frühzeitig einmischen.

Der Mordfall Luise hat Menschen weltweit bewegt. Ein zwölfjähriges Mädchen, mit Messerstichen getötet von zwei etwa gleichaltrigen Schulkameradinnen. So ungewöhnlich die Täterschaft, so typisch verliefen die Diskussionen in Politik und (sozialen) Medien: In Deutschland forderten manche eine Herabsetzung des Straf-mündigkeitsalters, andere spekulierten über den familiären Hintergrund der Täterinnen.

Schnell stand die Frage im Raum, ob Gewalt unter Kindern und Jugendlichen zunimmt. Statistiken im deutschsprachigen Raum liefern darauf keine eindeutige Antwort. So ist die Ermordung von Luise als Einzelfall zu bewerten. Solche gab es hin und wieder: Ich erinnere mich an den Fall eines Zweijährigen, der in den 90er-Jahren in England von zwei Zehnjährigen entführt und brutal getötet wurde.

Mobbing ist Thema in jeder Familie

So unerträglich diese Fälle auch sind, so sinnlos ist der Ruf nach vermeintlich schnellen Lösungen. Hilfreicher wäre es, sich den Fällen zu widmen, die sich täglich vor unserer Haustür abspielen. Mobbing auf dem Schulweg oder in den sozialen Medien ist in fast jeder Familie ein Thema: entweder weil die eigenen Kinder betroffen sind oder weil diese von anderen berichten.

Auch Fälle ohne tödlichen Ausgang richten grosse Schäden an. Wenn Kinder verprügelt werden, wie jüngst ein Mädchen in Schwamendingen. Oder wenn sie nach monatelangen Schikanen die Schule wechseln müssen. In meinem Freundeskreis ist das schon passiert.

Handeln, auch wenn es schwer fällt

Mit Blick auf verbale und physische Gewalt unter Kindern braucht es ein konsequentes Hinschauen, Zuhören und Einmischen – von Eltern, Lehrpersonen und Passanten. Erwachsenen fällt das oft schwer. Zu verlockend ist die Vorstellung, Kinder könnten ihre Probleme allein lösen, vielleicht gar daran wachsen. Hinzu kommt: Die Konflikte scheinen oft kleinlich, die Gründe für Streit schwer nachvollziehbar. Im Fall Luise äusserte sich in diese Richtung die Staatsanwaltschaft. Was für Kinder ein Tatmotiv sei, erschliesse sich Erwachsenen möglicherweise nicht.

Mobbing gab es schon immer, durch die sozialen Medien stehen gerade Jugendlichen stärkere Waffen zur Verfügung als früher. Die meisten Fälle beginnen aber im realen Leben, wie jüngst ein Experte im «Spiegel» sagte. Darum gilt es, früh rote Linien zu ziehen. Vielleicht lässt sich so auch der ein oder andere Einzelfall verhindern, der tödlich endet und sprachlos macht.

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