Geht! Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter Wölfe. (Lk, 10.3)
Der historische Jesus hat keine Kirche gegründet, aber eine Wanderprediger-Bewegung. Mit grossem Charisma rief er Männer und Frauen in seine Nachfolge und zog mit ihnen lehrend und heilend umher. Er sandte sie auch zu zweit mit dem Auftrag in die Dörfer hinaus, Gottes Friedensreich anzusagen. Das haben seine Freunde in Galiläa auch nach seinem Tod so fortgesetzt, bis der jüdische Krieg gegen die römischen Besatzer (66 bis 70 n. Chr.) dieser ursprünglichsten aller Jesusbewegungen ein Ende setzte.
Jesus beauftragte seine Anhänger auf den ersten Blick wenig attraktiv: Sie sollten ohne Geld, Reisesack und Sandalen gehen, zudem in absoluter Wehrlosigkeit, eben wie «Schafe unter Wölfe». Der Meister aus Nazaret war kein Menschenfänger, der mit Glück und Wohlergehen köderte. Vielmehr machte er deutlich, welch gefährliches Unterfangen es war, sich ihm anzuschliessen. Nichts Geringeres als das Leben selbst galt es zu riskieren.
In der Bibel, die Jesus kannte, werden habgierige Beamte oder korrupte Richter als «Wölfe» bezeichnet. Die Vision des Jesaja vom «neuen Himmel und der neuen Erde» bedient sich dieses Bildes auch, jedoch hoffnungsvoll: «Wolf und Lamm werden einträchtig weiden» (Jes 65,25). Bei dieser prophetischen Tradition setzte Jesus an: Diese Zeit der Erneuerung ist jetzt da! Gott ist am Kommen und will sein Reich, seine Friedensordnung aufrichten!
Jesus sandte seine Leute wie «Schafe» aus, denn ihre dürftige Ausrüstung sollte zugleich ihre Botschaft veranschaulichen: So ist die «neue Erde in der Gegenwart Gottes», da gibt es keine Gewalt mehr, niemand verletzt andere, alle teilen mit allen und werden satt. Aber eben, so heilsversprechend als «Schafe» aufzutreten, bedeutete ein enormes Risiko. Es verlangte volle Hingabe, konnte gelingen, aber auch scheitern. Vielleicht vermochten die «Schafe» die «Wölfe» umzustimmen. Vielleicht opferten sie sich umsonst und wurden schlicht aufgefressen. Jesus machte diese Wehrlosigkeit selber vor. Es ging ihm um das Ganze, um das Ende aller Zerstörung und Ausbeutung – und die war ihm das Risiko wert. Wenige Jahrzehnte später hat der Theologe Paulus (in 2 Kor 12,9) diese «Sanft-Mut» paradox in die göttliche Zusage gefasst: «Lass dir an meiner Gnade genügen; denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.»